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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
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Page - 9 - in Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski

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Napoleons an ihm verschuldet. Dieser ungeheure Weltwille weiß noch nicht sofort seinen Weg. Balzac entscheidet sich zunĂ€chst fĂŒr keinen Beruf. Zwei Jahre frĂŒher geboren, wĂ€re er, ein AchtzehnjĂ€hriger, in die Reihen Napoleons getreten, hĂ€tte vielleicht bei Belle Alliance die Höhen gestĂŒrmt, wo die englischen KartĂ€tschen niederfegten; aber die Weltgeschichte liebt keine Wiederholungen. Auf den Gewitterhimmel der napoleonischen Epoche folgen laue, weiche, erschlaffende Sommertage. Unter Ludwig XVIII. wird der SĂ€bel zum Zierdegen, der Soldat zur Hofschranze, der Politiker zum Schönredner; nicht mehr die Faust der Tat, das dunkle FĂŒllhorn des Zufalls vergeben die hohen Staatsstellen, sondern weiche FrauenhĂ€nde schenken Gunst und Gnade, das öffentliche Leben versandet, verflacht, der Gischt der Ereignisse glĂ€ttet sich zum sanften Teich. Mit den Waffen war die Welt nicht mehr zu erobern. Napoleon, dem einzelnen ein Beispiel, war eine Abschreckung fĂŒr die vielen. So blieb die Kunst. Balzac beginnt zu schreiben. Aber nicht wie die anderen, um Geld zu raffen, zu amĂŒsieren, ein BĂŒcherregal zu fĂŒllen, ein BoulevardgesprĂ€ch zu sein: ihn lĂŒstet nicht nach einem Marschallstab in der Literatur, sondern nach der Kaiserkrone. In einer Mansarde fĂ€ngt er an. Unter fremdem Namen, wie um seine Kraft zu proben, schreibt er die ersten Romane. Es ist noch nicht Krieg, sondern nur Kriegsspiel, Manöver und noch nicht die Schlacht. Unzufrieden mit dem Erfolg, unbefriedigt vom Gelingen, wirft er dann das Handwerk hin, dient drei, vier Jahre lang anderen Berufen, sitzt als Schreiber in der Stube eines Notars, beobachtet, sieht, genießt, dringt mit seinem Blick in die Welt, und dann fĂ€ngt er noch einmal an. Jetzt aber mit jenem ungeheuren Willen auf das Ganze hinzielend, mit jener gigantischen fanatischen Gier, die das Einzelne, die Erscheinung, das PhĂ€nomen, das Losgerissene mißachtet, um nur das in großen Schwingungen Kreisende zu umfassen, das geheimnisvolle RĂ€derwerk der Urtriebe zu belauschen. Aus dem GebrĂ€u der Geschehnisse die reinen Elemente, aus dem Zahlengewirr die Summe, aus dem Getöse die Harmonie, aus der LebensfĂŒlle die Essenz zu gewinnen, die ganze Welt in seine Retorte zu drĂ€ngen, sie noch einmal zu schaffen, „en raccourci“, in der genauen VerkĂŒrzung, und die so unterjochte mit seinem eigenen Atem zu beseelen, mit seinen eigenen HĂ€nden zu lenken: das ist nun sein Ziel. Nichts soll verloren gehen von der Vielfalt, und um dieses Unendliche in ein Endliches, das Unerreichbare in ein Menschenmögliches zusammenzupressen, gibt es nur einen Prozeß: die Komprimierung. Seine ganze Kraft arbeitet dahin, die PhĂ€nomene zusammenzudrĂ€ngen, sie durch ein Sieb zu jagen, wo alles Unwesentliche zurĂŒckbleibt und nur die reinen, wertvollen Formen durchsickern; und sie dann, diese zerstreuten Einzelformen, in der Glut seiner HĂ€nde zusammenzupressen, ihre ungeheure Vielfalt in ein anschauliches, 9
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Title
Drei Meister
Subtitle
Balzac - Dickens - Dostojewski
Author
Stefan Zweig
Date
1920
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
134
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Romain Rolland als Dank fĂŒr seine unerschĂŒtterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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