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der Pair von Paris. Und diese Sekunde am Kreuzweg des Lebens erleben alle
Helden Balzacs. Sie alle werden Soldaten im Kriege aller gegen alle, jeder
stürmt vorwärts, über die Leiche des einen geht der Weg des andern. Daß
jeder seinen Rubikon, sein Waterloo hat, daß die gleichen Schlachten sich in
Palästen, Hütten und Tavernen liefern, zeigt Balzac, und daß unter den
abgerissenen Kleidern Priester, Ärzte, Soldaten, Advokaten die gleichen
Triebe entäußern, das weiß sein Vautrin, der Anarchist, der die Rollen aller
spielt und in zehn Verkleidungen in den Büchern Balzacs auftritt, immer aber
derselbe und bewußt derselbe. Unter der nivellierten Oberfläche des
modernen Lebens wühlen die Kämpfe unterirdisch weiter. Denn der äußeren
Egalisierung wirkt der innere Ehrgeiz entgegen. Da keinem ein Platz
reserviert ist wie einst dem König, dem Adel, den Priestern, da jeder ein
Anrecht auf alle hat, so verzehnfacht sich ihre Anspannung. Die
Verkleinerung der Möglichkeiten äußert sich im Leben als Verdoppelung der
Energie.
Gerade dieser mörderische und selbstmörderische Kampf der Energien ist
es, der Balzac reizt. Die an ein Ziel gewandte Energie als Ausdruck des
bewußten Lebenswillens nicht in ihrer Wirkung, sondern in ihrem Wesen zu
schildern, ist seine Leidenschaft. Ob sie gut oder böse, wirkungskräftig oder
verschwendet bleibt, ist ihm gleichgültig, sobald sie nur intensiv wird.
Intensität, Wille ist alles, weil dies dem Menschen gehört, Erfolg und Ruhm
nichts, denn ihn bestimmt der Zufall. Der kleine Dieb, der ängstliche, der ein
Brot vom Bäckerladentisch in den Ärmel verschwinden läßt, ist langweilig,
der große Dieb, der professionelle, der nicht nur um des Nutzens, sondern um
der Leidenschaft willen raubt, dessen ganze Existenz sich auflöst in den
Begriff des Ansichreißens, ist grandios. Die Effekte, die Tatsachen zu messen,
bleibt Aufgabe der Geschichtschreibung, die Ursachen, die Intensitäten
freizulegen, scheint für Balzac die des Dichters. Denn tragisch ist nur die
Kraft, die nicht zum Ziel gelangt. Balzac schildert die héros oubliés, für ihn
gibt es in jeder Epoche nicht nur einen Napoleon, nicht nur den der
Historiker, der die Welt erobert hat von 1796 bis 1815, sondern er kennt vier
oder fünf. Der eine ist vielleicht bei Marengo gefallen und hat Desaix
geheißen, der zweite mag vom wirklichen Napoleon nach Ägypten gesandt
worden sein, fernab von den großen Ereignissen, der dritte hat vielleicht die
ungeheuerste Tragödie erlitten: er war Napoleon und ist nie an ein
Schlachtfeld gelangt, hat in irgendeinem Provinznest einsickern müssen, statt
Wildbach zu werden, aber er hat nicht minder Energie verausgabt, wenn auch
an kleinere Dinge. So nennt er Frauen, die durch ihre Hingebung und ihre
Schönheit berühmt geworden wären unter den Sonnenköniginnen, deren
Namen geklungen hätten wie der der Pompadour oder der Diane de Poitiers,
er spricht von den Dichtern, die an der Ungunst des Augenblicks zugrunde
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Drei Meister
Balzac - Dickens - Dostojewski
- Title
- Drei Meister
- Subtitle
- Balzac - Dickens - Dostojewski
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1920
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 134
- Keywords
- Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
- Balzac 7
- Dickens 29
- Dostojewski 50
- Einklang 51
- Das Antlitz 54
- Die Tragödie seines Lebens 56
- Sinn seines Schicksals 66
- Die Menschen Dostojewskis 77
- Realismus und Phantastik 90
- Architektur und Leidenschaft 103
- Der Überschreiter der Grenzen 113
- Die Gottesqual 121
- Vita Triumphatrix 131