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treibende Kraft einzig den erotischen Trieb, die Peripetien der Liebe. Balzac
nun hat eine Transponierung des Erotischen vorgenommen. Für ihn gab es
zweierlei Begehrende (und wie gesagt, nur die Begehrenden, die Ambitiösen
haben ihn interessiert): die Erotiker im eigentlichen Sinne, ein paar Männer
also und fast alle Frauen, deren Sternbild einzig die Liebe ist, die unter ihm
geboren werden und zugrunde gehen. Daß aber alle diese in der Erotik
ausgelösten Kräfte nicht die einzigen seien, daß die Peripetien der
Leidenschaft auch bei anderen Menschen nicht um ein Gran vermindert und,
ohne daß die treibende Urkraft zerstäube oder zersplittere, in anderen Formen,
in anderen Symbolen erhalten seien, durch diese tätige Erkenntnis hat der
Roman Balzacs eine ungeheuerliche Vielfalt gewonnen.
Aber noch aus einer zweiten Quelle hat Balzac ihn mit Wirklichkeit
gespeist: er hat das Geld in den Roman gebracht. Er, der keine absoluten
Werte anerkannte, beobachtete als Sekretär seiner Zeitgenossen, als Statistiker
des Relativen genau die äußeren, die moralischen, politischen, ästhetischen
Werte der Dinge und vor allem jenen allgemein gültigen Wert der Objekte,
der sich in unseren Tagen bei jedem Dinge fast dem absoluten nähert: den
Geldwert. Seit die Vorrechte der Aristokratie gefallen sind, seit der
Nivellierung der Unterschiede ist das Geld zum Blute, zur treibenden Kraft
des sozialen Lebens geworden. Jedes Ding ist durch seinen Wert, jede
Leidenschaft durch ihre materiellen Opfer, jeder Mensch durch sein äußeres
Einkommen bestimmt. Zahlen sind die Gradmesser für gewisse,
atmosphärische Zustände des Gewissens, die Balzac zu erforschen sich zur
Aufgabe gesetzt hat. Und Geld kreist in seinen Romanen. Nicht nur das
Anwachsen und Hinstürzen der großen Vermögen, die wilden Spekulationen
der Börse sind geschildert, nicht nur die großen Schlachten, in denen
ebensoviel Energie verausgabt wird wie bei Leipzig und Waterloo, nicht nur
diese zwanzig Typen der Gelderraffer aus Geiz, Haß, Verschwendungslust,
Ambition, nicht nur jene Menschen, die das Geld um des Geldes willen
lieben, und die, welche es um des Symbols willen lieben, und die wieder,
denen es nur Mittel zu ihren Zwecken ist, sondern Balzac hat als der erste und
kühnste an tausend Beispielen gezeigt, wie das Geld selbst in die edelsten,
feinsten und immateriellsten Empfindungen eingesickert ist. Alle seine
Menschen rechnen, wie wir es unwillkürlich im Leben tun. Seine Anfänger,
die nach Paris kommen, wissen rasch, was ein Besuch der guten Gesellschaft
kostet, eine elegante Gewandung, blanke Schuhe, ein neuer Wagen, eine
Wohnung, ein Diener, tausend Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten, die alle
bezahlt und erlernt sein wollen. Sie kennen die Katastrophen, verachtet zu
werden um einer unmodischen Weste willen, sie haben bald heraus, daß nur
Geld oder der Schein des Geldes die Türen sprengt, und aus diesen kleinen
unablässigen Demütigungen wachsen dann die großen Leidenschaften und die
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Drei Meister
Balzac - Dickens - Dostojewski
- Title
- Drei Meister
- Subtitle
- Balzac - Dickens - Dostojewski
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1920
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 134
- Keywords
- Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
- Balzac 7
- Dickens 29
- Dostojewski 50
- Einklang 51
- Das Antlitz 54
- Die Tragödie seines Lebens 56
- Sinn seines Schicksals 66
- Die Menschen Dostojewskis 77
- Realismus und Phantastik 90
- Architektur und Leidenschaft 103
- Der Überschreiter der Grenzen 113
- Die Gottesqual 121
- Vita Triumphatrix 131