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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
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zähe Ambition. Und Balzac geht mit ihnen. Er rechnet den Verschwendern ihre Ausgaben nach, den Wucherern ihre Prozente, den Kaufmännern ihre Verdienste, den Dandys ihre Schulden, den Politikern ihre Bestechungen. Die Summen sind die Gradziffern der aufsteigenden Unruhegefühle, der Barometerdruck der nahenden Katastrophen. Da Geld der materielle Niederschlag des universellen Ehrgeizes war, da es eindrang in alle Gefühle, so mußte er, der Pathologe des sozialen Lebens, um die Krisen des kranken Leibes zu erkennen, die Mikroskopie des Blutes unternehmen, den Geldgehalt desselben gewissermaßen feststellen. Denn aller Leben ist damit gesättigt, es ist Sauerstoff für die gehetzten Lungen, keiner kann es entbehren, der Ehrgeizige nicht für seinen Ehrgeiz, der Liebende nicht für sein Glück und am wenigsten der Künstler, das hat er selbst am besten gewußt, auf dessen Schultern die Schuld von hunderttausend Francs sich türmte, dieses furchtbare Gewicht, das er oft flüchtig – in der Ekstase der Arbeit – wegschleuderte von seinen Schultern und das schließlich zerschmetternd auf ihn niederfiel. Unübersehbar ist sein Werk. In den achtzig Bänden steht eine Zeit, eine Welt, eine Generation. Nie vorher ist bewußt ein so Gewaltiges versucht worden, nie wurde die Vermessenheit eines übergroßen Willens besser belohnt. Den Genießenden, den Ausruhenden, die am Abend, aus ihrer engen Welt flüchtend, neue Bilder und neue Menschen wollen, ist Erregung und ein wandelnd Spiel gegeben, den Dramatikern Stoff für hundert Tragödien, den Gelehrten – lässig hingeworfen wie Brocken vom Tisch eines Übersättigten – eine Fülle von Problemen und Anregungen, den Liebenden eine geradezu vorbildliche Glut der Ekstase. Am gewaltigsten aber ist die Erbschaft für die Dichter. In dem Entwurf der „Comédie humaine“ stehen nebst den vollendeten noch vierzig unvollendete, ungeschriebene Romane, Moskau heißt der eine, jener die Ebene von Wagram, ein anderer gilt dem Kampf um Wien und wieder einer dem Leben der Passion. Fast ist es ein Glück, daß nicht alle diese zu Ende gelangt sind. Balzac hat einmal gesagt: „Genie ist derjenige, der jederzeit seine Gedanken in Tat umsetzen kann. Aber das ganz große Genie entfaltet nicht unablässig diese Tätigkeit, sonst würde es Gott zu sehr gleichen.“ Denn hätte er alle diese vollenden dürfen, den Kreis der Leidenschaften und Geschehnisse ganz in sich zurückführen, sein Werk wäre ins Unbegreifliche gewachsen. Es wäre ein Ungeheures geworden, eine Abschreckung für alle Späteren durch seine Unerreichbarkeit, während es so – ein Torso ohnegleichen – die ungeheuerste Aneiferung, das grandioseste Beispiel ist für jeden schöpferischen Willen zum Unerreichbaren. 28
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Title
Drei Meister
Subtitle
Balzac - Dickens - Dostojewski
Author
Stefan Zweig
Date
1920
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
134
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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