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Die Liebe der Erika Ewald
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wußte, wie es sich Bahn brechen sollte. In ihren Wangen brannte die Schmach, und ihre Hände bebten, als müßten sie jeden Augenblick losfahren in zorniger Gewalt gegen irgend etwas. Die Schwächlichkeit und Scham war von ihr gewichen, die drängende Macht des Handelns wurde immer deutlicher und unruhiger in ihr; ein Wesen, das sich vom Schicksal immer hatte formen und lenken lassen, wollte ihm nun entgegengehen und mit ihm ringen. Und dieser ziellose ungebärdige Trieb ließ sie in den Gassen irren, ohne einen Entschluß. Die Wirklichkeit lag in weiter, weiter Ferne. Sie wußte nicht, wohin sie ging, in ihren Füßen war bleierne Müdigkeit, aber auch eine irre Bewegung, die sie weiter stieß. Immer mehr hüllte sie sich in ihre Gedanken, um den Schmerz, der jetzt wach werden wollte, wegzudenken und ihn im raschen Gehen zu vergessen; doch sie spürte einen Druck von Tränen, die noch nicht hervorbrechen konnten, aber innen brannten und tropften… … . Auf einmal stand sie vor einer Brücke. Unten der Fluß, schwarz und langsam gleitend, mit vielen hellen, glitzernden Punkten. Sterne waren das und Reflexe von den Brückenlaternen, die hinaufstarrten wie aufgerissene Augen. Und von irgendwo ein leises unaufhörliches Plätschern, die Strömung, die sich an einem Pfeiler bricht. Einen Todesgedanken barg dieser Anblick, das fühlte sie. Ein Beben überlief ihren Körper. Sie wandte sich um. Es war niemand in der Nähe, hie und da schwarze Schatten, die vorüberhuschten. Manchmal ein Lachen aus der Ferne oder das Rollen eines Wagens. Aber in der Nähe niemand, keiner, der sie hindern könnte. Wie leicht, wie rasch das war; ein Griff, ein Schwung über die Rampe, dann noch ein paar häßliche ringende Minuten unten, dort unten in dieser schweigsamen Dunkelheit und dann Friede … . reicher, ewiger Friede, fern von allen Wirklichkeiten, der beruhigende Trost des Nichtwiedererwachens… . Aber dann ein anderer Gedanke! Eine verunstaltete Leiche, die man aus dem Wasser zieht, Neugierige, die sich belustigen, Gerede und Geschwätz – es tat ja nicht mehr weh! Aber einer war, der könnte es erfahren und dann vielleicht selbstbewußt lächeln, im Bewußtsein eines Siegers… .. Nein – das durfte nicht sein! Das Leben war noch nicht erschöpft, das fühlte sie, denn es konnte noch Rache bergen, den letzten tastenden Versuch einer Verzweiflung. Und vielleicht war es sogar schön, und sie hatte nur falsch gelebt, sie war gut und vertrauend gewesen, mild und zurückhaltend, während man rücksichtslos, gierig und verschlagen sein sollte, wie ein Raubtier, das sich von fremdem Leben nährt. Ein Lachen rang sich ihr aus der Brust, wie sie sich von der Brücke abwendete, ein Lachen, vor dem sie erschrak. Denn sie fühlte, wie sie sich selbst nicht ihre ungesprochenen Worte glaubte. Nur der Schmerz war wahr, 38
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Die Liebe der Erika Ewald
Title
Die Liebe der Erika Ewald
Author
Stefan Zweig
Date
1904
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
114
Keywords
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern über dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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