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Die Liebe der Erika Ewald
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Dann ward wieder alles ruhiger. Sie schämte sich der Gewalttätigkeit dieser wortlosen Abwehr. Aber die Wand, die schon ganz durchleuchtet gewesen war von den Strahlen einer übersinnlichen Liebe, starrte wieder schwarz und hoch zwischen beiden. In ihren Blicken war Kälte, Unrast und Beschämung, nicht Zorn mehr und nicht mehr Vertrauen, nur Wirklichkeit und nicht mehr mystisch erschauernde Sehnsucht. Und schlaff fielen die Hände an ihrem schmalen Körper herab, wie Schwingen, die auf hochrauschendem Fluge zerbrochen. Noch immer war ihr das Leben ein Rätsel von Schönheit und Seltsamkeit, aber sie wagte nicht mehr den Traum zu lieben, aus dem sie so niederschmetternd erwacht war. Auch der alte Maler fühlte, daß ihn ein voreiliges Vertrauen betrogen hatte, aber es war nicht die erste Enttäuschung seines langen suchenden Lebens, das nur Treue und Vertrauen war. So kam ihn kein Schmerz an, sondern nur Erstaunen und dann wieder fast Freude über ihre rasche Beschämung. Sanft faßte er ihre beiden schmalen Kinderhände, in denen noch das Fieber glühte. »Esther, du hast mich beinahe erschreckt mit deiner jähen Aufwallung. Ich meine es doch nicht schlecht mit dir. Oder denkst du das?« Sie schüttelte beschämt ihren Kopf, um sich im nächsten Momente wieder aufzurichten. Und ihre Worte wurden beinah wieder trotzig: »Aber ich will keine Christin sein. Ich will nicht. Ich« – sie würgte an dem Worte lange, ehe sie es mit gedämpfter Stimme sagte – »Ich… . Ich hasse die Christen. Ich kenne sie nicht, aber ich hasse sie. Was Ihr mir gesagt habt von der Liebe, die alle umfaßt, ist schöner, als jedes Wort, das ich in meinem Leben je erhört. Aber die Menschen um mich sagen auch, daß sie Christen sind, aber sie sind roh und gewalttätig. Und … . ich weiß nicht mehr alles klar, es ist schon zu lange her … . aber wenn wir zu Hause von den Christen sprachen, so war eine Angst und ein Haß in den Worten… . Alle haßten sie… . Und ich auch… .. Denn wenn ich mit meinem Vater ging, so schrieen sie uns nach und einmal warfen sie Steine nach uns… .. Mich selbst hat einer getroffen, daß ich blutete und weinte, aber mein Vater zog mich ängstlich fort, als ich nach Hilfe schrie… . Mehr weiß ich nicht von ihnen… . Doch, ich weiß noch… . Unsere Gassen waren dunkel und eng, wie die hier, wo ich wohne. Und nur Juden wohnten darin… . Aber drüben die Stadt war schön. Ich habe sie einmal hoch von einem Hause gesehn… . Ein Fluß war darin, der so blau und klar vorüberfloß und drüben eine breite Brücke, auf der Menschen in hellen Gewandungen gingen, wie ihr mir sie auf den Bildern gezeigt habt. Und die Häuser waren mit künstlichen Figuren geschmückt und mit Gold und Giebeln verziert. Dazwischen standen hohe, ach, so hohe Türme, in denen die Glocken sangen, und die Sonne kam herab bis in die Straßen. Es war alles so schön… . Als ich aber meinem Vater sagte, er möge 83
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Die Liebe der Erika Ewald
Title
Die Liebe der Erika Ewald
Author
Stefan Zweig
Date
1904
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
114
Keywords
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern über dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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