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Die Liebe der Erika Ewald
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zerkauten Tabak zur Erde spuckte. Schließlich erzĂ€hlte er selbst in seiner ungeschickten Weise, was gerade vorgegangen war, aber Esther horchte vergebens. Er wußte ihr nichts zu sagen, er versuchte es gar nicht. Alle Dinge schienen nur bis an seinen Körper heranzukommen und nichts nach innen zu fließen, eine GleichgĂŒltigkeit gegen alles schlug ihr aus seinen Worten entgegen, die sie mit Ekel erfĂŒllte. Was sie frĂŒher nur dumpf geahnt, wußte sie jetzt: es gab keinen Weg von solchen Menschen zu ihr und ihrer Seele. Es gab ein Nebeneinandersein, aber kein Erkennen, eine Öde und kein VerstĂ€ndnis. Und er schien ihr noch der beste von all den Menschen, die in dieser traurigen Kneipe aus und ein gingen, weil eine gewisse biedere Derbheit in ihm war, die in manchen Augenblicken sogar Herzlichkeit werden konnte. Diese EnttĂ€uschung aber konnte die drĂ€ngende Kraft dieser unbĂ€ndigen Sehnsucht nicht zerbrechen und die ganze Wucht strömte wieder zu den beiden Wesen zurĂŒck, die Aufgang und Niedergang ihres Tages umspannten. Sie zĂ€hlte die einsamen Stunden der Nacht, die sie noch vom Morgen entfernten, mit Inbrunst und die Stunden des Tages, die vor ihrem Besuche bei dem Maler lagen, mit fiebernder Glut, die sich auf ihrem Antlitz verriet. Und einmal auf der Gasse warf sie sich ganz in den Arm ihrer Leidenschaft, wie ein Schwimmer in eine aufschĂ€umende Flut, und stĂŒrmte wie verzweifelt durch die ruhig vorwĂ€rtsstrebenden Menschen, um erst Halt zu machen, wenn sie mit gerötetem Gesicht und verwirrten Haaren vor dem Tore des ersehnten Hauses stand. Eine UnbĂ€ndigkeit und Lust an freier leidenschaftlicher GebĂ€rde hatte in dieser Zeit der Umformung Gewalt ĂŒber sie gewonnen und gab ihr eine wilde begehrliche Schönheit. Und diese gierige, fast verzweiflungsvolle Art ihrer ZĂ€rtlichkeit ließ sie das Kind vor dem alten Manne bevorzugen, in dessen freundlicher inniger Milde etwas Ablehnendes, AbgeklĂ€rtes gegenĂŒber aller stĂŒrmischen Leidenschaft lag. Er wußte nichts von der fraulichen Wandlung Esthers, aber er ahnte sie aus ihrem ganzen Wesen, dessen so jĂ€h erwachte Ekstatik ihn befremdete. Ihr Schranken zu setzen, versuchte er nicht, weil er die elementare Kraft spĂŒrte, die sie vorwĂ€rts trieb in diese zĂ€he Leidenschaft. Und er verlor darum nicht die vĂ€terliche Liebe zu diesem einsamen Kinde, wenngleich auch sein Sinn sich ganz wieder dem fernen Spiel der geheimen LebenskrĂ€fte zugewandt hatte. Er freute sich ihrer Gegenwart und suchte sie sich zu bewahren. Das Bild war schon vollendet, er sagte es aber Esther nicht, weil er sie nicht trennen wollte von dem Kinde, das sie mit ZĂ€rtlichkeit gleichsam ĂŒberflutete. Ab und zu tat er noch einen Pinselstrich, aber es waren immer nur unwichtige Äußerlichkeiten, ein Faltenwurf, eine leichte Schattierung des Hintergrundes oder eine flĂŒchtige Nuance im Spiel des Lichtes. Dem eigentlichen Gedanken des Bildes und seiner innerlichen Empfindung wagte er nicht mehr zu nahen, 96
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Die Liebe der Erika Ewald
Title
Die Liebe der Erika Ewald
Author
Stefan Zweig
Date
1904
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
114
Keywords
Literatur, Liebe, ErzÀhlung, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern ĂŒber dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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