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Vorläufer: Joseph Lanner – Johann Strauss Vater
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Einzahlform genannt wird, wenngleich es sich streng genommen um eine Walzerkette20 handelt. Der Ga-
lopp kontrastierte als ein rasantes Gegenstück zum Walzer, mehrheitlich wurde er als selbständiger Tanz
ausgefĂĽhrt, manchmal wurde er in das Finale eines Walzers eingeschoben, um den tanzwĂĽtigen (jungen)
Paaren einen ausgelassenen Abschluss zu ermöglichen. Das Repertoire für einen sich über viele Stunden
erstreckenden Tanzabend bestand nicht nur aus den Eigenkompositionen, Lanner und Strauss spielten
Werke des jeweils anderen ebenso wie Tänze ihrer Zeitgenossen.
KonZertwesen
In den tanzlosen Zeiten (Advent, Fastenzeit) wurden die Säle21 umfunktioniert, in Speiseräumen Kon-
zerte gegeben. Bei Nachmittags- und Abendunterhaltungen spielten die Tanzorchester ebenso auf wie bei
Sommerfesten. Konzerte in Theatern wurden als abendfĂĽllende Veranstaltung oder als ĂśberbrĂĽckung der
Pause zwischen den Akten programmiert. Neben originären Konzertstücken22 wie Ouvertüren, Märschen
oder Opernpotpourris wurden Walzer und Galopps gespielt. Damit erfolgte die Umformung der genu-
inen Tanzmusikkomposition von einem rein funktionalen MusikstĂĽck hin zu einem autonomen Kunst-
werk, das vor einem aufmerksam zuhörenden Publikum zu bestehen hatte. Der Walzer wurde zunehmend
sinfonisch konzipiert, Einleitung und Coda bildeten wesentliche Form- und Stilelemente.
die entwicKlung Vom Kleinen ensemble bis Zum sinfonisch besetZten orchester
Lanner und Strauss traten ab ca. 1825 mit einem kleinen Ensemble auf. Die ersten Orchester23 umfassten
elf Musiker24, sukzessive wurde die Zahl der Mitwirkenden25 erhöht. Für Freiluftveranstaltungen wurde
das Orchester verstärkt.26
Der oben beschriebene Wandel der Tanzmusikkompositionen (vor allem des Walzers) wäre nicht
möglich gewesen ohne eine Ausweitung der Tanzkapelle hin zu einem mittelgroßen Orchester.27 Auf
dem Höhepunkt seiner Laufbahn vereinte Lanners Ensemble vierundzwanzig Musiker (siehe die einzige
größere Reise, die Lanner anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten Ferdinands 1838 nach Innsbruck und
Mailand unternahm). Strauss Vaters Tourneen, die ihn durch ganz Europa bis nach Paris und London
führten, wurden ebenfalls mit einer für damalige Verhältnisse stattlichen Formation (dreißig Musiker)
durchgefĂĽhrt.
20 Die Titel der Walzer sind in der Regel in der Mehrzahlform, z. B. „Rheinklänge“, „Die Romantiker“ etc., auch zeitgenössische
Berichte sprechen stets von „den Walzern“, selbst wenn sie nur ein einzelnes Werk rezensieren. Die Brüder Strauss hielten an
dieser Tradition Zeit ihres Lebens fest (der letzte Walzer von Johann Strauss, Opus 479, trägt den Titel „Klänge aus der Rai-
mundzeit“, Josefs letzter Walzer, Opus 283, nennt sich „Rudolfs-Klänge“).
21 Einen Spezialfall einer Polyfunktionalität eines „Saales“ bildet die Umwandlung der Schwimmhallen durch Abdeckung der
Becken (Dianabad-Saal, Sofienbad-Saal) in Ball- und Konzertsäle.
22 Eine strikte Trennung zwischen BĂĽhne und Konzertpodium bestand nie: Die Praxis, Opern-OuvertĂĽren aus dem Kontext des
nachfolgenden Bühnengeschehens zu lösen, findet sich bereits zur Zeit Lanners und Strauss Vaters, wie etwa die Fassung mit
Konzertschluss der Mozart-Ouvertüre zu „Don Giovanni“ zeigt. Umgekehrt konnten Originaltänze in ein Ballett oder in eine
Oper aufgenommen werden.
23 Früheste Stimmenabschriften von Franz Flatscher vermerken selbstbewusst auf dem Titelblatt (nach Aufzählung aller Instru-
mente) zusätzlich: „für ein ganzes Orchester“.
24 Die Standardbesetzung bestand aus drei Geigen und Bass, an Blasinstrumenten waren eine Flöte (mit optionalem Wechsel auf
Piccolo), zwei Klarinetten, zwei Hörner (mit optionalem Wechsel auf Trompete) und eine Trompete vertreten, als Schlagwerker
fungierte ein Paukist, der auf Nebeninstrumente (z. B. groĂźe Trommel) wechseln konnte.
25 Ab ca. 1827 vergrößerte sich das Orchester um eine weitere Flöte, ein Fagott und eine Posaune, bald darauf um eine Oboe
und um das Violoncello. Schrittweise wurde die dritte Violine durch die Viola ersetzt. Bei den Blechbläsern trat eine zweite
Trompete hinzu, das Schlagwerk wurde mit einem zweiten Spieler besetzt, um den gleichzeitigen Einsatz mehrerer Neben-
instrumente (insbesondere der in der Tanz- und Festmusik essentiellen kleinen Trommel) zu ermöglichen. Ein Bombardon
oder eine Ophicleide spielten im unisono mit der Posaune die Basslinie, erst die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte
dauerhaft die Tuba.
26 Diese Verstärkung kam sowohl bei Tanzveranstaltungen im Gastgarten als auch bei reinen Konzerten zum Einsatz. Johann
Strauss Vater trat im Lokal „Zu den Zwey Tauben“ mit nicht weniger als 36 Musikern auf. In den Presseankündigungen wurde
auf dieses „verstärkte Personale“ (manchmal sogar mit Angabe der Gesamtzahl der mitwirkenden Musiker) stolz hingewiesen.
27 Um ca. 1840 bestanden Lanners und Strauss Vaters Orchester aus sechs Holzbläsern, sechs Blechbläsern, zwei Schlagwerkern
und einer entsprechenden Anzahl Streichern.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Josef Strauss
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Size
- 21.4 x 30.0 cm
- Pages
- 496
Table of contents
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwähnt 465
- V. Bearbeitungen – Aufführungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang