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26 2 Arierparagrafen und andere Ausschlussmechanismen
eine prägendeKraft, signifikant dafürwar dieWahl Karl Luegers zumWiener
Bürgermeister.
Der Ausschluss der Juden aus den Burschenschaften hatte zur Gründung
jüdisch-nationaler Studentenverbindungen geführt, als erstewar 1882 die Ka-
dimah ins Leben gerufen worden.11 Diese jüdischen Burschenschaften unter-
schieden sich in ihrenRitualenwenig vondendeutschnationalen. Klimaund
Milieudieser Jahrewarenaber auch entscheidend für die Entstehungdes Zio-
nismus.KlausHödl schreibt:
„Die zionistische Rezeption solcher kultureller Elementewie der Kneipemit den beiden
zentralen Verhaltensritualen des Trinkens und des Singens studentischer Lieder, sowie
derMensur,derenBetonungvomdeutschen ‚Kartell ZionistischerVerbindungen‘denBe-
griff des ‚Zionismus desDreinschlagens‘ entstehen ließ, stelltenMerkmale der Nähe der
ZionistenzudeutschnationalenUmgangsformendar,dieauch imSingenvonLiedernwie
‚HeilDir imSiegeskranz!‘ zumAusdruckkam.“12
Das wirkte sich auch im Feld der Bewegungskulturen aus, die in dieser Zeit
starkmitdemstudentisch-akademischenBereichverknüpftwaren. „Diesekul-
turelleAffinität zurKulturdernichtjüdischenGesellschaft, die ausder lebens-
geschichtlichenHerkunft der Zionisten erklärtwerdenkann, schlug sich auch
in derGründung vonTurnvereinennieder, die für die zionistische Position in
bezugaufdengesellschaftlichenAntisemitismuseineimmenseBedeutunghat-
ten“.13 Bei denTurnernbegannderAusschlusswie bei denBurschenschaften
inWien. 1887 legte der ErsteWiener Turnverein fest: „Vereinsangehörige kön-
nennurDeutsche (arischeAbkunft) sein, derenAufnahmevomTurnrathebe-
stätigtwird.“14Weil dieVereine imDeutschenReichdiesen „Arierparagrafen“
vorerst noch verweigerten, schlossen sichdieWienermit benachbartenVerei-
nen zumNiederösterreichischen Turngau zusammen, aus dem schließlich im
Jahr 1889derDeutscheTurnerbundmit Sitz inWien entstand.Ausdemretro-
spektivennationalsozialistischenBlickwinkel desMärz 1938wurdedies zu ei-
ner bemerkenswertenTat:
„Als nämlich der ersteWiener Turnverein zu seiner 25. Bestandsfeier rüstete, mußte er
feststellen,daßunter 1100Mitgliederngegen500nichtdeutsche,darunter480 Judenwa-
11 Angelika M.Hausenbichl, Jüdische Autoemanzipation. Ein Blick in das Vereinsleben der
Donaumonarchie am Beispiel der akademischen Vereine Kadimah und Jüdische Kultur. In:
Adunka,Lamprecht, Traska, JüdischesVereinswesen, 31–44.
12 Vgl.Hödl, Pathologisierung, 280.
13 Hödl, Pathologisierung, 280.
14 Zit. nachHartmutBecker, Antisemitismus in derDeutschenTurnerschaft (SanktAugustin
1980) 50.
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918