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52 3 Wiener Judentum und Wiener Sport in der Zwischenkriegszeit
nistisch eingestellten Juden und Jüdinnen, aus religiös orthodoxen Gruppen
ausUngarn, BöhmenundMähren sowieden „Ostjuden“ausGalizienundder
Bukowina zusammen. Daneben existierte in Wien unter anderem noch die
„türkische Gemeinde“, eine Gruppe sephardischer Juden und Jüdinnen.23 Die
Heterogenitätder jüdischenBevölkerungWiensspiegeltesichauchinderViel-
falt der innerhalb der IsraelitischenKultusgemeinde (IKG)Wien auftretenden
politischenParteienwider.Die IKGWienwargemäß Israelitengesetz von1890
die fürdieVerwaltungdesreligiösenLebensder in ihremSprengelwohnhaften
JudenundJüdinnenzuständigeEinrichtung.24DaspolitischeSpektrumreichte
vonorthodoxen,sowohlantizionistischenalsauchzionistischenGruppenüber
nichtreligiöseAssimilierte zu stark jüdisch-national orientierten, zionistischen
Gruppierungen. Auch in Fragen der gelebten Religiosität unterschieden sich
die Wiener Juden und Jüdinnen stark voneinander: Orthodoxe aus Ungarn,
Böhmen und Mähren fanden ihr religiöses Zentrum vielfach in der Wiener
„Schiffschul“ inder Leopoldstadt. Die „Ostjuden“betrieben einBethausnach
polnischemRitus inder Leopoldgasse 29, ebenfalls im2.WienerGemeindebe-
zirk.„Assimilierungsorientierte“JudenundJüdinnenfühltensicheherderKul-
tusgemeinde inder Seitenstettengasse inWien, Innere Stadt, zugehörig,wäh-
renddie SephardInneneinenTempel imorientalischenStil inder Zirkusgasse
inWienLeopoldstadtnutzten.25 Zudemexistiertenzahlreicheweitere, vereins-
mäßig betriebene Bethäuser und Synagogenmit teilweise unterschiedlichem
Ritus.26 Strengorthodoxeundchassidische Judenund Jüdinnenwaren jedoch
in derMinderheit, ein hoher Prozentsatz der jüdischen BevölkerungWiens –
Lichtblau schätzt sogar einenAnteil von rundderHälfte – besuchte selbst zu
denhohen jüdischenFeiertagenkeinenTempel und lebte inder erstenHälfte
des 20. Jahrhunderts weitgehend areligiös.27Weiters gestaltete sich das jüdi-
sche LebenWiens abseits der zahlreichen religiösen Vereine auch aufgrund
einer Vielzahl vonVereinigungen fürwohltätige Zwecke, Frauenvereinen, Ju-
gendgruppen, SportklubsundzionistischenVereinen sehrheterogen.28
23 Kreppel, Juden, 711;Lichtblau, Integration, 495, 499; Bericht des PräsidiumsunddesVor-
standes der Israelitischen KultusgemeindeWien über die Tätigkeit in den Jahren 1933–1936
(Wien 1936), 109.
24 Vgl. Israelitengesetz vom21.März 1890,RGBl 57/1890;Lichtblau, Integration, 458.
25 Kreppel, Juden, 710ff.;Lichtblau, Partizipation, 240;Moser,Voraussetzungen, 67–109.
26 Vgl. etwa LöbelTaubes, ChaimBloch (Hg.), Jüdisches Jahrbuch für Österreich (Wien 5393
[1932/33]) 33–51;Magistratsabteilung für Statistik, Jahrbuch 1930–1935, 204.
27 Lichtblau, Partizipation, 240.
28 Vgl.dieAufstellungen inTaubes,Bloch, Jahrbuch,51ff., indenBerichtender Israelitischen
Kultusgemeinde aus der Zwischenkriegszeit, etwa Bericht, 1933–1936, 41–44; ShoshanaDui-
zend-Jensen, Jüdische Gemeinden, Vereine, Stiftungen und Fonds. „Arisierung“ und Restitu-
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918