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EinBeispiel: Floridsdorf
Wenn in den Sportzeitungen der 1920er-Jahre von der „gesunde[n], unver-
brauchte[n]Vorstadt“dieRedewar,galtenFloridsdorferVereinewiederSCAd-
miraalsParadebeispiele.4Die transdanubischeGroßgemeindeFloridsdorfwur-
de 1904 nachWien eingemeindet5 und hatte um 1900 etwa 45.000, um 1910
aberschonweitüber60.000EinwohnerInnen.Grunddafürwar,dassdie lange
Zeit dörflich-kleinbürgerlichenStrukturendurcheinenenormen Industrialisie-
rungsschubüberformtwurden6undFloridsdorf binnenweniger Jahrzehnte zu
einemArbeiterInnenbezirk gewordenwar.Als Zusammenschluss vonehemals
sieben dörflichenAnsiedlungen behielt es jedoch zumTeil seinen ländlichen
undkleinbürgerlichenCharakter bei, auchwennes sichabden 1860er-Jahren
sukzessive zu einer primär proletarisch geprägtenVorstadt, einer Bastion der
Sozialdemokratie und zumStandort großer Fabrikengewandelt hatte. Abden
1920er-Jahren wurden zudem einige der größten kommunalen Wohnbauten
(Gemeindebauten)Wiens inFloridsdorf errichtet.
ObwohldasGebieteinenextremgeringenAnteil jüdischerBewohnerInnen
aufwies – im Jahr 1923 waren es zwei Prozent, der zweitkleinste Prozentsatz
allerWiener Bezirke7 –, existiertemit einer Synagogemit 390 Sitzplätzen, ei-
nemFriedhofundeinerspezifischenAgglomerationvonjüdischenGeschäften,
vomModehaus bis zum koscheren Fleischhauer, eine basale jüdische Infra-
struktur. Sie verdankte sich primär dem Zuzug von Juden und Jüdinnen aus
Mähren,derSlowakeiunddemBurgenland inden1870er-Jahren.Die Israeliti-
scheKultusgemeindeFloridsdorfswurdeerst 1909TeilderWiener IKG,behielt
aber sogardanachnocheinegewisseUnabhängigkeit.8
Im Fußball gab es in Floridsdorf zwei wichtige Vereine: Zum einen den
FAC,FußballmeisterderSaison1917/18. InderZwischenkriegszeitwarderVer-
ein sportlich nicht mehr so erfolgreich, spielte abermit Ausnahme von zwei
4 DieVorstadt führt! In: Illustriertes Sportblatt, Nr.41 (8. 10. 1927) 7. Vgl. dazuHorak,Mader-
thaner,Mehr als einSpiel, 62–65.
5 Raimund Hinkel, Bruno Sykora, Heimat Floridsdorf. Mit erstem Floridsdorfer Straßenver-
zeichnis (Wien 1977) 109.
6 Hans Smital, Geschichte der Großgemeinde Floridsdorf (Wien 1903; Nachdruck aus dem
WienerStadt-undLandesarchiv.Hg. vonFerdinandOpllundAndreasWeigl,Wien2009) 342–
345.
7 LeoGoldhammer, Die JudenWiens. Eine statistischeStudie (Wien 1927) 10.
8 Erich Sinai, Der jüdische Friedhof in Floridsdorf. In: Die Gemeinde. Offizielles Organ der
IsraelitischenKultusgemeindeWien594(2007)48;BobMartens,RekonstruktionderSynagoge
in Floridsdorf. In: David. Jüdische Kulturzeitschrift, online unter www.david.juden.at/
kulturzeitschrift/76-80/80-martens.htm (7.April 2018).
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918