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erwies. Die Erhaltungskosten für das viel zu großkonzipierte Stadion63 erwie-
sen sich fürdenkleinenKlubals kaumtragbar.Dazukamnoch,dass sichder
Verein,umimProfibetriebmithaltenzukönnen, finanziellübernahm:Letztlich
konnte eineAuflösung zwarknappvermiedenwerden, die enormenSchulden
warenabernurumdenPreisdesVerkaufes fastdergesamtenMannschaftund
einem folgendenAbstieg indie zweite Liga verhindertworden.64
Erst nach demMärz 1938 wurde versucht, die jüdischen Funktionäre für
den finanziellenRuin und sportlichenNiedergang verantwortlich zumachen:
Beim ISSCwaren „lauter JudendieHauptmacher,wie beispielsweise der Jude
Neufeld, der Jude Bachus, beide Vorstandsmitglieder, der Jude Poleiner als
Kassier,der JudeFeuchtbaumusw.,dieallebeimZusammenbruchdesVereins,
diesen, wie Ratten das sinkende Schiff, verließen“, schrieb der „kommissari-
scheVerwalter“ vonSimonPoleinersUhrmachergeschäft.65
Wie schon bei den Floridsdorfer Vereinen kann konstatiert werden, dass
sichdie, obwohl zahlenmäßig auch in Simmering kleinen, jüdischenGemein-
schaften stark am Sportgeschehen beteiligten, sowohl als Aktive66 wie eben
auch als Funktionäre. Beim ISSCwaren in den 1920er-Jahren zumindest fünf
jüdischeFunktionäreaktiv:EinHerrNeufeld(vermutlichderVertreterHeinrich
Neufeld) agierte als Sektionsleiter fürFußball, derAllgemeinmedizinerDr. Isi-
dor Ehrenfest war Schriftführer, der Uhrmacher bzw. Juwelier SimonPoleiner
der Kassier des Vereins. Im Vorstand saßen außerdem der Fotograf Anschel
Feuchtbaum und der Schneidermeister und Inhaber eines Kleidergeschäftes
Manfred (Mannfried)Bachus.67
ImSinnederFragenachderTopografie istbedeutsam,dassderSimmerin-
gerSportklubanalogzudenFloridsdorferVereinenoderzuRapidals typischer
Vorstadtvereingalt,dasserabernichtaufDauersportlicherfolgreichwar, son-
dern gerade das potenzielle Scheitern des Vorstadt-Konzepts im Profibetrieb
repräsentierte. Dennochwurde auch beim Simmeringer SC die Repräsentanz
jüdischer Funktionäre in denMedien so gutwie nie bzw. erst nach dem„An-
schluss“ erwähnt: Auch in diesemFall erwies sich derOrt, das heißt die Vor-
stadt, als entscheidendes Zuschreibungskriterium.
63 MatthiasMarschik, Simmeringer „Had“ II. In:AndreasTröscher,MatthiasMarschik, Edgar
Schütz (Hg.),Das großeBuchder österreichischenFußballstadien (Göttingen 2007) 146–149.
64 MatthiasMarschik, 100 JahreErsterSimmeringerSportklub.DieGeschichteeinesVorstadt-
Vereins (Wien 2001) 42–69.
65 DÖW21488/50, zit. nachHerbertExenberger,GleichdemkleinenHäufleinderMakkabäer.
Die jüdischeGemeinde inSimmering 1848–1945 (Wien 2009) 217.
66 Exenberger,Makkabäer, 216f.
67 Exenberger,Makkabäer, 216f.
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918