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Raum und jüdische Differenz im Wiener Fußball 125
FKAustria
Kehrenwir nochmals zumprogrammatischenArtikel „DieVorstadt führt!“ zu-
rück: Als Negativbeispiele des „Gagenfußballs“ werden die Hakoah und die
Amateure bzw. der FK Austria angeführt. Doch während die jüngste Vergan-
genheit der Hakoah als sukzessive Geschichte eines Verfalls ausführlich ge-
schildert wird, geht der Beitrag auf die Austria kaumnäher ein: DasWissen
um den Status des bürgerlich-jüdischen „Cityklubs“ wird offenbar vorausge-
setzt.DieAustriagalt,auchwennsiesichselbstnichtsodefinierte,als„Juden-
klub“,68 verbundenmit einembisheutewirksamenambivalenten Image.69
Die Amateure, 1911 als Abspaltung der Cricketer gegründet, verstanden
sichvonBeginnanals„bürgerlicher“Klub;der langjährigeSpielerundspätere
Trainer Karl Geyer betonte stets das besondere Image des Klubs als „Intelli-
genzlerverein“, die Bedeutung einer zugleich sportlichen und gesellschaftli-
chenPräsenzundnicht zuletztdas langeherrschendeGleichgewicht zwischen
jüdischenundnichtjüdischenSpielernundFunktionären.70Mit ErwinMüller,
CarlWertheimund Emanuel Schwarzwurde die Austria über viele Jahre von
jüdischenPräsidentengeleitet,71 1938bestandderVorstandausschließlichaus
jüdischenMitgliedern.Unter denvonunsuntersuchtenFußballvereinenhatte
die Austria mit mindestens 62 Prozent jüdischer Funktionäre in den Jahren
1929 bis 1938 denhöchstenAnteil aller Vereine, die nicht ausschließlich jüdi-
schenMitgliedernoffenstanden.
DieAmateure/derFKAustriagehörtenstetszudenKlubsmitdenhöchsten
Budgets, die sportlichenErfolgehieltendamitnicht immerSchritt: Inder Zwi-
schenkriegszeit erreichte man nur zwei Meistertitel, allerdings fünf Cupsiege
sowie zwei Siege imMitropacup.
DieAustria legtestetsWertdarauf, ein innerstädtischesSekretariat zu füh-
ren. Auffällig ist aber vor allem die Stadionhistorie, denn ab 1928 besaß der
68 MatthiasMarschik, Von jüdischen Vereinen und „Judenclubs“. Organisiertes Sportleben
umdie Jahrhundertwende. In:Adunka,Lamprecht,Traska (Hg.), JüdischesVereinswesen,225–
244.
69 Vgl. etwaReinhardPillwein, FKAustriaWien. Eine europäischeDiva (Kassel 2015) 8–11.
70 RomanHorak, Einhalbes Jahrhundert amBall.WienerFußballer erzählen (Wien2010) 27–
68;MatthiasMarschik, Frei spielen. Sporterzählungen über Nationalsozialismus und „Besat-
zungszeit“ (Wien/Berlin 2014) 74–82.
71 Vgl. z.B.BundespolizeidirektionWien (BPD),Büro fürVereins-,Versammlungs-undMedi-
enrechtsangelegenheiten,VereinsaktFußball-KlubAustria;MatthiasMarschik,WienerAustria.
Die ersten90 Jahre (Schwechat 2001) 253–258;Dr. Karl (Carl)Wertheimkonvertierte zumPro-
testantismus, erwurde 1925aufdemevangelischenTeil desWiener Zentralfriedhofsbestattet.
Als Medizinstudent gab er noch „jüdisch“ als Religionsbekenntnis an, vgl. seine Nationale
1898/99, abrufbarunterwww.genteam.at.Wir dankenBarbaraSauer für diesenHinweis.
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918