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Sprachenzählung
Sprachenzählung nach
Martin Wutte, 1900
(NUK – Z 282.4-98) Gegen Ende der Monarchie schien sich eine Natio-
nalitätenerhebung anzubahnen. Dagegen leistete die
amtliche Statistik Widerstand, auch gegen eine Erhe-
bung der → Muttersprache, die »nicht von amtlichem
Interesse« sei. Es überwog schließlich die Tendenz, sich
am ethno-nationalen Bekenntnisprinzip zu orientieren
und nicht an der sprachlichen Herkunft.
In der allerersten Nachkriegszählung von 1920
wurde keine Sprachenfrage gestellt, da es nur um
Grundinformationen (Zahl der Einwohner) ging. Die
zweite Nachkriegszählung von 1923 ist außerordent-
lich schlecht dokumentiert und wegen fehlender Mittel
nur teilweise aufgearbeitet. An der Sprachenfrage war
man jedoch interessiert. Die Fragestellung zeugt vom
Interesse an den tatsächlichen Sprachverhältnissen. Die
Frage ging nach der »Denksprache« : »Sprache, die die
zu zählende Person am besten spricht und in der sie
denkt.« Dieser Frage wurde im letzten Moment eine
nach der »Rasse« hinzugefügt ; sie sollte die jüdische
Bevölkerung erfassen. Sie wurde jedoch von dieser boy-
kottiert, sodass keine Auswertung vorgenommen wurde.
Die sprachlichen Minderheiten wiesen auf eine
unfaire Durchführung der Volkszählung hin. Wieder
standen die Zählkommissäre, ihre Auswahl und ihr von
den Landesbehörden gedecktes Vorgehen im Mittel-
punkt der Beschwerden. Klagen kamen hauptsächlich
aus Kärnten/Koroška und aus Wien, kaum hingegen
aus dem Burgenland.
1934 wurde die Frage nach der Sprache jener nach
der Zugehörigkeit im Ministerrat vorgezogen, um nicht
Gelegenheit für nazideutsche Propaganda zu bieten.
Die Formulierung vermied die Frage nach der Mutter-
sprache, aber auch der Umgangssprache ; sie ging nach der »Kulturkreiszugehörigkeit«, nach der »Sprache, zu
deren Kulturkreis der Befragte sich zugehörig fühlt«.
Dollfuss wollte auch mit Blick auf Kärnten/Koroška
vermeiden, »dass die Ergebnisse der Volksabstimmung
in Frage gestellt würden«. Bei der Veröffentlichung
der Ergebnisse (Österreichisches Statistisches Zentralamt
1935, 26) zur Volkszählung hieß es : »Die Fassung der
Fragestellung nähert sich somit einem Volkszugehörig-
keitsbekenntnis, nur dass dieses nicht frei und losgelöst
von der objektiven Grundlage einer Sprache gegeben
werden konnte.
Mit dieser Begriffsbestimmung hat Österreich […]
dem subjektiven Zugehörigkeitsgefühl zu einer Volks-
gemeinschaft bestimmenden Einfluss eingeräumt.
Maßgebend hierfür war, dass die Sprache nur dort als
gültiges Merkmal der Volkszugehörigkeit genommen
werden durfte, wo objektive sprachliche Zugehörigkeit
und Volkszugehörigkeitsgefühl sich deckten. Besonders
bei vorhandener Gemischtsprachigkeit richtet sich das
Volkszugehörigkeitsgefühl häufig nicht nach dem Volks-
tum der Abstammungssprache, sondern nach dem einer
neu hinzugelernten Sprache [→
Gemischtsprachig]. In
solchen Fällen verliert die Sprache die Aussagekraft
für die Volkszugehörigkeit, die ihr normaler Weise zu-
kommt, und gibt ein unrichtiges Bild der Zugehörig-
keitsverhältnisse. So lagen in Österreich die Dinge be-
sonders in Kärnten/Koroška, wo ein erheblicher Teil
der Personen slowenischer Herkunft sich zur deutschen
Volksgemeinschaft bekannte […]«. Es war Wilhelm
Winkler, der dies betrieb, obwohl als Autor u. a. Os-
kar Gelinek genannt wurde – systemkonformer Leiter
der NS-Volkszählung nach der Zwangspensionierung
Winklers wegen seiner jüdischen Frau im Jahr 1939.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602