Page - 1280 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
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Sprachgrenze 1860/1880/1910/1918/1924
Sprachgrenze 1860/1880/1910/1918/1924, vgl.
→ Ortsverzeichnis 1860/1880/1883/1918 ; → Pfarr-
karte der Diözese Gurk/Krška škofija 1924.
Sprachgrenze, soziale, vgl. →
Adelssprache ; →
Sprach-
grenze (1, 2).
Sprachinseln, slowenische, vgl. → Slovenia submersa,
→ Windisch.
Sprachmischung, mittelalterliche. »Es gibt keine völ-
lig ungemischte Sprache. Die Möglichkeit der Sprach-
mischung hat nach keiner Seite hin eine Grenze. Die
Ursache der Sprachmischung ist immer sozialer, nicht
physiologischer Art.« Kernsätze des Grazer Romanisten
Hugo Schuchardt, der 1884 Franz von → Mik-
losich die für S. grundlegende Arbeit Slawo-Deutsches
und Slawo-Italienisches zueignete. Voraussetzung für
S. ist zu allen Zeiten Bilingualität (→ Zweisprachig-
keit). Je entfernter von standardisierten Schriftspra-
chen S. stattfindet, desto intensiver kann sie sein. Zu
unterscheiden ist Bilingualität zwischen zwei ganz ver-
schiedenen Sprachen, zwischen →
Dialekten, zwischen
Dialekt und genormter Schriftsprache und zwischen
→ Soziolekten. Die Pfarrer, die Lehrer, die Obrigkeit
(alle außerhalb der Dorfgemeinschaft Ausgebildeten)
hatten ihre Sprache, Männer und Frauen, Kinder und
Alte die ihre. Jeder ist immer mehreren Sprachen aus-
gesetzt, nicht nur den Idiolekten von Freunden und
Bekannten. Neuere sprachwissenschaftliche Termini
wie Sprachkontakt oder Interferenz übersehen meist die
allgemein soziale Disposition des Menschen für natür-
liche Offenheit und den spielerischen Hang zum Kre-
olismus. Wie in der Mode spielt in der Sprache das
Sozialprestige einer anderen Sprache oder Mundart mit
(→ Relevanz und Redundanz von Sprache). In Bayern
und ganz besonders in der Schweiz hat der Dialekt ein
höheres Prestige als in Österreich. In Österreich ver-
mischen sich Soziolekte (Sprache sozialer Gruppen)
häufiger als Dialekte (Sprache im geografischen Raum).
Die berühmteste Mischung gab es in der Schweiz : das
Ladinisch um Chur/Cuera in Graubünden, das Churer
Welsch oder Kauderwelsch.
S. ist eine graduelle Entwicklung von Kleinigkeiten
bis zum → Sprachwandel mit der Dominanz der an-
deren Sprache oder der völligen Aufgabe der eigenen
durch → Sprachwechsel (Sprachtausch). Dennoch
bleiben oft in der neuen Sprache Relikte der alten übrig
(→ Akkulturation, →
Inkulturation). Viel Slowenisches der → Slovenia submersa ist noch
heute in bairischen Dialekten erkennbar. Die deutlichs-
ten und beharrlichsten Spuren alter Bilingualität und
S. finden sich in geografischen Namen. Ein Ort, der
Feistritz heißt, war einmal bilingual (→ Zweisprachig-
keit ; →
Zweinamigkeit, mittelalterliche). Heute spricht
man dort Bairisch und Schrift-Deutsch. Aus dem Slo-
wenischen Bystrica wird durch S. bairisch Feistriz. Jeder
Name in bilingualen Regionen wird durch S. verändert
(→ Inkulturation). Die Geschichte der Namen ist die
Geschichte der S. Die Mischformen bei Namen kön-
nen sein : phonetischer (Suha > Zauchen), morpholo-
gischer (Javornik > Jauerling) oder etymologisierender
Art, indem dem Namen eine Bedeutung unterstellt
wird, die er eigentlich nicht hat (Ostriki > Ostreich, Ra-
doviki > Radweg). Seltener sind Übersetzungen oder
Parallelnamen (Brod/Furt, Gora/Berg, Gorica/Bichl).
Aus der keltisch-lateinischen Bilingualität (die Ein-
heimischen sprechen keltisch, das Militär ist latei-
nischsprachig) ist Ladinisch hervorgegangen. Aus der
ladinisch-alemannischen das Bairische, aus der ladi-
nisch-slawischen das → Karantanerslowenisch. Am bes-
ten erkennbar ist dies in den → Freisinger Denkmälern,
einem gemeinsamen Produkt der ladinisch-/bairisch-
sprachigen Salzburger Priester und der slowenischspra-
chigen einheimischen Karantaner im 8. und 9. Jh.
Eindeutig ladinisch geprägt ist die christliche → Ter-
minologie Karantaniens, die über → Salzburg, Regens-
burg, Prag, Krakau von den → Slawen im Norden und
durch die Bibelübersetzung Kyrills und Methods
über Bulgarien, Kiew und Novgorod von den Slawen
im Süden und Nordosten übernommen wurde (→ Me-
thodvita).
In den → Freisinger Denkmälern sind sc. sanct/
sent (ausgesprochen šent), noch heute in Ortsnamen
(Škocjan/St. Kanzian, Šmarjeta/St. Margarethen, Šmar-
tin/St. Martin, Šentlovrenc/St. Lorenzen, Šenttomaž/
St. Thomas), und crist (ausgesprochen krišt, davon kri-
štiti/krstiti »zum Christen machen, taufen«) ladinisch.
Es gibt immer phonetische, am häufigsten lexikalische
(dies natalis/nedel »Sonntag«, balneus/balii »Arzt«, rati-
onare/račiti »sich entschließen«, quoniam/ponje »weil«),
grammatikalische und syntaktische Mischungen.
Manchmal auch Übersetzungen nach dem lateinischen/
ladinischen Vorbild (filioli/sinci, servus Dei/boži rab).
Das spätere Mittelalter ist gekennzeichnet durch
slowenisch-bairische Bilingualität und S., die durch
den Ausbau von Schriftsprachen mit der Autorität des
Bibeltextes ab dem 16. Jh. gebremst wurde, in Dialek-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602