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Toponyme slawischer bzw. slowenischer Herkunft in Osttirol und in Salzburg
Heinz-Dieter Pohl
durch bis ins 14. Jh. fassbare urkundliche Erwähnun-
gen slawischer → Personennamen (zur materiellen
Hinterlassenschaft siehe → karantanisch-Köttlacher
Kulturkreis).
Lit.: M. Mitterauer : Slawischer und bayrischer Adel am Ausgang der Ka-
rolingerzeit. In : Car I, 150 (1960), 693–726 ; F. Tremel : Der Slavenze-
hent als Quelle der Siedlungsgeschichte. In : Das östliche Mitteleuropa in
Geschichte und Gegenwart. Annales Instituti Slavici I/2. Wiesbaden
1966, 109
ff.; F. Lochner Hüttenbach : Das vorslawische Element in den
Ortsnamen der Steiermark. In : Österreichische Namenforschung (1976),
Heft 1, 9–22 ; H. Wolfram : Conversio Bagoariorum et Carantanorum.
Wien/Köln/Graz 1979 ; O. Kronsteiner : Die alpenslawischen Perso-
nennamen. Österreichische Namenforschung- Sonderreihe 2. Wien
1981 ; H. Dopsch : St.
Peter als Zentrum der Slawenmission. In : Katalog
zur Ausstellung : St.
Peter in Salzburg. Salzburg 1982, 60
ff.; O. Kron-
steiner : »Alpenromanisch« aus slawistischer Sicht. In : Das Romanische
in den Ostalpen (Hg. D. Messner). Veröffentlichungen der Kommis-
sion für Linguistik und Kommunikationsforschung 15. Wien 1984,
73–93 ; B. Mader : Die Alpenslawen in der Steiermark, Schriften der
Balkankommission 31. Wien 1986.
Brigitta Mader
Toponyme slawischer bzw. slowenischer Herkunft
in Osttirol und in Salzburg. Der größte Teil von Ost-
tirol war im 6./7. Jh. von → Slawen besiedelt worden.
Laut Gründungsurkunde des Stiftes →
Innichen bil-
dete entlang der Drau/Drava der Anraser Bach die
westliche Grenze slawischer Besiedlung, der linguisti-
sche Befund weist jedoch auf die Lienzer Klause (bei
Leisach < slawisch *Ľubišachъ zum frühslowenischen
Personennamen *Ľubišь) hin ; die wenigen westlich
davon auftretenden slawischen → Ortsnamen sind se-
kundär und weisen auf Beziehungen ins slawische Ge-
biet hin, so z. B. Assling < slawisch *asenьnikъ ›Eschen-
gegend‹ (vor der Errichtung einer eigenen Pfarre war
Assling nach Dölsach eingepfarrt [< slawisch Lokativ
*dьlžachъ, entweder ›bei/an den langen (Feldern)‹ oder
vom Einwohnernamen *Dьlže ›Längenfelder‹, zu sla-
wisch dьlgъ ›lang‹] ; auch dialektologisch finden sich
Spuren einer alten Zusammengehörigkeit mit dem
Iselraum). Im Osttiroler Gailtal sowie im Villgraten-
und Winkeltal finden sich ebenfalls keine slawische
Ortsnamen (→ Namenkunde). All diese Gebiete wur-
den von den aus dem Pustertal eingedrungenen Baiern
zuerst in Besitz genommen und konnten sich erst spä-
ter auch im Lienzer Becken festsetzen.
Das dichteste Verbreitungsgebiet slawischer Topo-
nyme liegt um Matrei in Osttirol (bis 1921 Windisch-
Matrei [→ Windisch]) sowie im Virgen- (urkundlich
Virge, -a zu slawisch *bergъ ›Ufer, Böschung, Abhang, Berg‹, woraus dann slow. breg), Debant- (urkundlich
Dewin(o) < slawisch *děva + -inъ/-ina/-ino ›Jungfrau-
engegend‹, nimmt Bezug auf einen alten Jungfrauen-
kult) und Defereggental (< frühslowenisch *Dobrik’e,
Siedlungsname zu einem mit slawisch *Dobr- ›gut‹ be-
ginnenden → Personennamen – alle drei Namen sind
also slawischer Herkunft). Auf slawische Ortsnamen
stößt man auch im Kalser und Tauerntal. Die Slawen
drangen bis in die hintersten Talabschnitte vor und
legten Siedlungen an, die noch heute zu den höchst-
gelegenen Dauersiedlungen zu zählen sind. Im Kalser
Tal haben sie romanisches Siedlungsgebiet überlagert
(→ Altladinisch), von den rund zwölf Siedlungsnamen
des Kalser Tales sind je drei romanischer (Glor, Elle-
parte und Pradel) und deutscher (Burg, Haslach und
Großdorf), aber immerhin sechs slawischer Herkunft
(Kals [urkundlich Calce < slawisch kalьcь zu kalъ ›Kot,
Schlamm ; Lache, Pfütze ; Viehtränke‹, Ködnitz [s. u.],
Arnig, Peischlach, Staniska und Lesach). Dazu kommen
dann noch zahlreiche Berg-, Hof- und → Flurnamen
(→ Vulgoname). Das Verhältnis zwischen den drei ver-
schiedenen Namensschichten in Kals weist darauf hin,
dass das romanische Element nur teilweise slawisch
überschichtet wurde und sich im oberen und mittleren
(fruchtbareren) Abschnitt behaupten konnte (→ Kon-
tinuität). Dies zeigen einige typisch romanische Laut-
entwicklungen in Namen slawischer Herkunft (z. B. der
Lautwandel -t- > -d- im → Bergnamen Foledíschnitz
über *voletiščnica ›Ochsenpferch‹ < *volьja tiščьnica) und
einige Übersetzungsnamen (z. B. Ködnitz < *kǫtьnica
›Gegend im Winkel bzw. Winkelbach‹ zu slawisch
*kǫtъ ›Winkel‹ wie der Nachbarort Glor, urkundlich
Ang[u]lar < rom. angulare,im Winkel gelegen‹). Weiters
spricht dafür die Tatsache, dass slawische Benennungen
vorwiegend in den semantischen Bereichen »Boden-
beschaffenheit« und »Pflanzen« vorkommen, hingegen
(v. a.) »Topographie«, »Verkehr und Wege« und »Klima
und Witterung« meist romanische Etyma aufweisen,
also die typischen Benennungsfelder von bereits An-
sässigen. Im unteren Abschnitt konnte sich jedoch das
Slawische durchsetzen, bis schließlich beide Sprachen
dem Deutschen erlagen (spätestens um 1500). Die
Struktur des Kalser Namengutes setzt eine Siedlungs-
kontinuität und Kohabitation aller drei Sprachvölker
voraus : Offensichtlich haben sich die Neuankömm-
linge jeweils zunächst dort niedergelassen, wo noch
Platz war, ohne die bereits anwesende Bevölkerung zu
verdrängen, sie haben hier friedlich nebeneinander ge-
rodet, gewirtschaftet und gelebt. Dass die Slawen nicht
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602