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Volksabstimmung, Kärntner
Buchcover, 1920
ablehnte. Nach der Volksabstimmung veränderte Ös-
terreich mehrmals die Grenzen jener Gemeinden, die
sich mehrheitlich für das Königreich SHS entschieden
hatten, um so ihre politische Selbstbestimmung zu ver-
hindern. Einzig Libeliče (Leifling) konnte als Grenz-
gemeinde ihren in der Volksabstimmung bekundeten
Willen auch tatsächlich umsetzen und wurde 1922 auf
Initiative der Bürger, aufgrund deren Beharrlichkeit
und Forderung im Zuge eines lokalen Gebietstausches
von der Grenzziehungskommission in zwei Teile ge-
teilt (→ Vertrag von Saint-Germain), wobei nach dem
Zweiten Weltkrieg die Grenzen von 1938 wieder ein-
gerichtet wurden. Die Analyse der Ergebnisse in der
Zone A zeigt, dass die Mehrheit der slowenischsprachi-
gen Bevölkerung (59,2 %) für ein Zusammenleben mit
den übrigen Slowenen im Königreich SHS gestimmt
haben. Für einen Verbleib bei Österreich stimmte eine
Minderheit der slowenischsprachigen Bevölkerung
(40,8 %). Diese Minderheit von ca. 10.000 Stimmen
von (vor allem sozialdemokratisch und liberal orientier-
ten) Slowenen in der Zone A war ausschlaggebend für die Mehrheit für Österreich. Die Gründe für eine der-
artige Entscheidung suchen slowenische und österrei-
chische Historiker in der Entwicklung der historischen
Beziehungen zwischen beiden Völkern im Land, in de-
ren jeweiliger kulturellen und politischen Entwicklung,
vor allem aber war das Ergebnis Folge der massiven
→ Germanisierung der slowenischen Bevölkerung. Ei-
nen besonderen Aspekt stellt die Tatsache dar, dass sich
ein bedeutender Teil der slowenisch sprechenden Be-
völkerung national nicht deklarierte bzw. dass die Na-
tionwerdung der Slowenen in Kärnten/Koroška nicht
abgeschlossen war (→ Identität).
Der Ausgang der Abstimmung führte zu einer Ma-
jorisierung der deutschen Forderungen auf dem Ge-
biet seit der Mitte des 19. Jh.s. Einen Teil der slowe-
nischsprachigen Wähler der Zone A überzeugte die
österreichische →
Abstimmungspropaganda, die logi-
scherweise nicht den ethnischen Aspekt der Volksab-
stimmungsentscheidung betonte, sondern sich auf an-
dere gesellschaftliche Unterschiede und Staatssysteme
beider neu entstandenen Staaten konzentrierte. Ent-
scheidende Faktoren waren der oftmals beschworene
Kärntner Landespatriotismus (→ Identität, territori-
ale), die natürliche und geografische Einheit des Kla-
genfurter Beckens, die Öffnung der Demarkationslinie
zur Zone A und damit die Stärkung der österreichi-
schen Propaganda bei gleichzeitig verringertem An-
sehen und geschwächter Stellung der jugoslawischen
Verwaltung. Diese stand in einem Gebiet in Konkur-
renz mit einem Staatsapparat mit einer jahrhunderte-
alten Tradition, zudem war der Südkärntner Raum un-
ter SHS-Verwaltung wirtschaftlich abhängig von den
urbanen Zentren im Kärntner Zentralraum. Bisweilen
kam es zu unangemessenem Verhalten der jugoslawi-
schen Behörden gegen einen Teil der Bevölkerung der
Zone A. Zudem punktete Österreich als junge Repu-
blik ohne Wehrdienstpflicht gegenüber dem König-
reich SHS, das eine Monarchie ohne Verfassung, aber
mit verpflichtendem Militärdienst war, die gleichzeitig
zahlreiche gesellschaftliche und ethnische Probleme
sowie offene Grenzfragen hatte. Schließlich beteu-
erte Österreich, dass jene, die für Österreich stimmen
würden, ihrer slowenischen Identität nicht entsagen
müssten und dass die Slowenen in Kärnten/Koroška
sogar jene »unter serbischer Oberhoheit« in → Krain/
Kranjska überleben würden. Versprochen wurde, dass
die Slowenen umfassend unterstützt würden, um ihr
Überleben als Volksgruppe zu gewährleisten (gemäß
den Minderheitenschutzbestimmungen aus Artikel 62
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602