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Die Entwicklung der Vegetation hält demnach im mediterranen Florengebiete zwei
kurze Ruhezeiten ein, von welchen die eine mit der Trockenperiode des Hochsommers, die
andere mit der Kälteperiode des Wiuters zusammenfällt. Der Zeitraum, welcher sich
zwischen Kälte- und Trockenperiode einschaltet, umfaßt zum wenigsten vier volle Monate
und gestattet auch hochstämmigen Holzpflanzen ihre jährliche Arbeit vollständig abzuschließen.
Gegen die Sommerdürre sind die Pflanzen der mediterranen Flora auf vielfache Art
geschützt; die zahlreichen einjährigen, seicht wurzelnden Gewächse haben ihre Samen schon
vor Beginn des Hochsommers ausgereift nud überdauern die Trockenperiode im Samen-
zustande, die Lilien und Schwertlilien, die Crocus und Narcissen, der Asphodill und die
Orchideen, an welchen die mediterrane Flora so nngemem reich ist, übersommern mit
unterirdischen Zwiebeln, Knollen und Wurzelstöcken, ja selbst mehrere Arten ans der
Familie der Ranunkeln, der Dolden, der Baldriane und Compositen, also aus Pflanzen-
gruppen, bei welchen in anderen Florengebieten Knollenbildungen nicht beobachtet werden,
zeigen hier knollenförmig verdickte, fleischige, gegen Vertrocknnng geschützte Wnrzelbildnngen.
Die Halbsträucher, Sträucher und Bäume besitzen dnrchgehends sehr tiefgehende, bis zu
den selbst im Hochsommer niemals vollständig austrocknenden Bodenschichten eindringende
Wurzeläste und haben der Mehrzahl nach aromatisches, lederiges, starres, immergrünes,
durch einen eigenthümlichen Bau ihrer Oberhaut gegeu zu weit gehende Verdnnftnng
geschütztes Laubwerk oder aber sommergrüne Blätter, die mit dichtem Flaum versehen, in
einen Haarpelz gehüllt oder mit Wollfilz überzogen sind, welcher Überzug sie gleichfalls
gegen die Austrocknung zu schützen im Stande ist. Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich,
daß man im Hochsommer, wenn die einjährigen Gewächse verschwunden sind und die
Zwiebel- und Knollengewächse längst eingezogen haben, an sonnigen Halden nur zweierlei
Pflanzentypen, nämlich entweder Gewächse mit starren lederigen Blättern oder Pflanzen
mit haarigem grauen Laubwerk beobachtet, eine Farbencombination, welche nicht wenig
die Landschaftsbilder der mittelländischen Küstenstriche beeinflußt.
Die immergrünen Laubhölzer der mediterranen Flora vertragen ohne Nachtheil knrz
andauernde Fröste, weil ihr Holz und Laub im Laufe des langen warmen Sommers und
Herbstes vollständig auszureifen und sich für den Winter einzupuppen im Stande war.
Die Mehrzahl derselben ist auch weniger durch die Kälteperiode des Wiuters, als durch
den kürzeren Sommer von anderen Florengebieten ausgeschlossen. Zudem werden die
meisten dieser Pflanzen von dem Vordringen in die benachbarten Florengebiete durch den
im Winter reichlich fallenden Schnee zurückgehalten. Die Fichten und Föhren, sowie andere
immergrüne Gehölze der nördlicheren Floren sind dnrch die große Elasticität ihrer Äste
und Zweige geeignet, selbst einen bedeutenden Schneedruck ohne Nachtheil zu vertragen;
die mit brüchigen aufrechten Zweigen und mit breit angelegten Blättern geschmückten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch