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pontischen Gebietes ist der Frühherbst die Zeit des einen Minimums der atmosphärischen
Niederschläge. Ein wolkenloser Himmel spannt sich dann über das Gelände, welches nur
mit den Resten einer abgestorbenen oder schlummernden Vegetation bedeckt ist. Der zu
dieser Zeit an kalten Morgen fallende Thau vermag höchstens einige Pilze aus dein Boden
hervorzulocken und das Aufkeimen der spärlichen zweijährigen Kräuter zu veranlassen; die
Grasfluren bleiben aber öde nnd kein neues Grün belebt mehr die Landschaft. Anfang
Oetober, ja selbst schon Ende Septeniber stellen sich die ersten Reife ein; Mitte November
stehen die Bäume entblättert oder mit verdorrtem Laube in den Wäldern. Im November
fällt zwar wieder reichlicher Regen, es sind aber kalte Regen, welche zu dieser Zeit den
Boden netzen und an dem Bilde der Pflanzenwelt keine Änderung mehr veranlassen, ja
in der zweiten Hälfte des November erscheint die Landschaft häufig schon in Schnee gehüllt.
Die Sommerruhe ist so allmälig in den Winterschlaf übergegangen.
Der relativ kalte Frühling und die zeitlich eintretenden Fröste des Herbstes schließen
aus dem Gebiete der pontischen Flora alle jene Pflanzen aus, welche mit hohen Sommer-
temperaturen allein nicht ausreichen, sondern eine wenigstens über acht Monate sich
erstreckende frostfreie Periode zu ihrem Gedeihen beanspruchen, die überdies durch eine
länger dauernde Belastung mit Schnee und durch große Kältegrade des Winters Schaden
leiden würden. Dagegen herrschen hier Gewächse vor, welche zwar während ihrer kurzen
Vegetationszeit zur Entwicklung von Blüten und Früchten hoher Wärmegrade bedürfen,
aber den strengen Winter ungefährdet zu überdauern im Stande sind. Dahin gehören
zunächst die einjährigen Pflanzen, deren Samen erst nach Ablauf des Winters keimen und
dann in unglaublich kurzer Zeit alle ihre Entwicklungsstadien durchlaufen; weiterhin viele
Staudenpflanzen, deren Wnrzelstöcke, tief in der Erde eingebettet, gegen die strenge
Winterkälte geschützt sind, Anfang April über die Erde emporznfprießen beginnen und
bis Ende Juni oder Anfang Juli schon ihre Früchte ausgereift haben. Die große Wärme-
menge, welche diesen Pflanzen im Verlaufe der kurzen Vegetationszeit geboten wird,
ermöglicht, nicht nur einen sehr raschen, sondern auch sehr ausgiebigen Zuwachs, und in
keinem anderen Florengebiete zählt man so viele voluminöse Standenpflanzen und hohe
Gräser als in der pontischen Flora. An diese reihen sich dann noch jene bäum- und
strauchartigen Gewächse an, welche wohl, ähnlich den früheren, eine hohe Sommerwärme
verlangen, aber auch noch die Bedingung an das Klima stellen, daß auf sie schon zur
Zeit ihres Entknospens ein lang dauernder Lichtreiz einwirkt. Es sind das dnrchgeheuds
spät ergrünende, ohne eigentlichen Frühling in den kurzen heißen Sommer des pontischen
Gebietes hineinwachsende Arten, wie der tatarische Ahorn und die Silberlinde, welche
von dem mediterranen Gebiete ausgeschlossen sind, weil sie dort infolge der zeitlich
eintretenden Frühlingswärme schon zu einer Zeit aufknospen würden, deren kurze
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch