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bis an den Brenner und an den Monte Baldo, ja selbst bis Granbündten und in das
Wallis vordringen. Umgekehrt findet man wieder nicht wenige von der Schweiz her nach
Österreich verbreitete Alpinen, welche — wie zum Beispiel das langgespornte Veilchen,
der gelbe Enzian und das Steinrösel — den Lech, die Isar oder den Inn in den Nord-
alpen nicht überschreiten, während sie in den südlicheren Alpenzügen ihren Verbreitungs-
bezirk viel weiter nach Osten bis Kärnten und Krain ausdehnen. Sehr ausfallend
treten noch zwei andere Grenzlinien hervor, von welchen die eine nord-südlich, die
andere West-östlich verläuft. Erstere zieht aus dem Quellengebiete der Isar quer über
das Innthal auf die Berge au der Mündung des Selrainer Thales und von da über
die dem Schiefer der Ceutralalpeu aufgesetzten Dolomitstöcke der Tribnlauu-Gruppe an
den Brenner, dann rein südlich in das Etschthal und auf den Monte Baldo; die
andere verläuft vom Ortler an den Nordrand der Dolomiten in das Pusterthal und
folgt dann der Linie des Dranthales. Diese letzteren beiden, sich nahezu rechtwinkelig
kreuzenden Linien, an welchen viele recht auffallende Pflanzen der alpinen Flora
eine östliche oder westliche, eine südliche oder nördliche Grenze finden, viertheilen die
österreichischen Alpen und es werden durch sie vier Inselgruppen umrandet, welche
als die rhätische, uorische, trideutinische und karnische bezeichnet werden
können. Jede dieser vier alpinen Inselgruppen hat ihre besonderen Primeln und
Mannsschilde, jede hat eigenthümliche, den anderen drei Gruppen fehlende Steinbreche,
Ranunkeln, Glockenblumen und Pedicnlaris, durch welche ihre Flora einen bestimmten
Localton erhält. Daß die der rhätischen und tridentinischen Inselgruppe zukommenden
Arten zumeist auch über die unmittelbar sich anschließenden Berge der Schweiz und
Oberitaliens verbreitet sind, kann wohl kaum überraschen, dagegen ist es eine sehr
auffallende Erscheinung, daß die Vegetation der norischen und karnischen Inseln mit den
durch weite Tieflandsstrecken getrennten alpinen Inseln der Karpathen in so innigen
Beziehungen steht. Schon im Quellengebiete der Isar auf der Solsteinkette und auf den
Höhen des Sonnenwendjoches zwischen dem Achensee und dem Jnnthale fallen einige
östliche Alpenpflanzen auf, welche von dort angefangen ostwärts in einer geschlossenen
Kette bis auf den niederösterreichischen Schneeberg verbreitet sind und dann wieder nach
weiter Unterbrechung auf den Karpathen wiederkehren. Im Osten des Jnnthales und im
Glockuergebiete tauchen neuerdings solche östliche Formen auf, ebenso im Osten der
Salzach und der Enns, in den Schladminger und Judeuburger Alpen und in den
Karavanken, und es ist eine überaus merkwürdige Thatsache, daß sich auf den
Karavanken, auf den steirischen Centralalpen und den niederösterreichischen Kalkalpen
eine Flora breit macht, welche mit jener der Karpathen — also eines ganz anderen
Gebirgssystems — weit mehr Übereinstimmung zeigt als mit derjenigen, welche auf den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch