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Würmlach im Gailthale gehören nach Pauli einer indogermanischen Sprache an, nnd zwar
vermuthlich dem illyrischen Zweige derselben. Der geographische Zusammenhang dieser
Funde führt uns direet bis au die Veneter, welche Herodot ein illyrisches Volk nennt. Die
hellenischen Anklänge in der älteren Bronze-Industrie der Alpeu würden sich dadurch
nugezwungen erklären lassen.
In den Westalpen stoßen wir auf die Rhätier, über deren Abstammung ebenfalls
verschiedene Ansichten aufgestellt wurden. Strabo, Livins und Plinius bezeichnen dieselben
einstimmig als Verwandte der Etrnsker. Allerdings scheint sich dies nur auf einen Kreis
von kleinen Völkerschaften zu beziehen, welche im Tessin, im Etschthale und einigen
nördlichen Nebenthälern des Po saßen. Jedenfalls gehörten die Enganeer dazu, welche
jedoch bereits im graueu Alterthum von Este vertrieben waren und daher sür die Deutung
der oben erwähnten Inschriften wohl kaum mehr in Betracht kommen. Verona, Mantna,
Trieft waren nach Plinius Städte der Tuskeu und ihre Abkömmlinge die Rhätier. Ob die
von den Alten erwähnten rhätischen Völkerschaften Nordtirols ebenfalls Elemente der
etrnskischen Völkerfamilie enthalten, ist noch nicht aufgeklärt.
In der Mitte des letzten Jahrtausends v.Chr. beginnen jene gewaltigen Bewegniigen,
welche die Bojer nach Baiern und Böhmen, die Tektosagen ins südliche Mähren, die
Tanrisker in die Karpathen, die Vindelicier nach Schwaben und Oberbaiern, die Helveter
in die Westalpen, die Noriker in die Ostalpen, die Carner nach Kram uud Friaul bis
Aquileja uud Trieft trieben. Die Senonen, Bojen, Lingonen n. s. w. breiteten sich über
die ganze Po-Ebene aus und reichten im Süden bis Ancona. Im IV. Jahrhundert setzten
sich die Skordisker in Makedonien und Jllyrien fest.
Sämmtliche hier aufgezählte Völker gehören der großen keltischen Familie an.
Über die ethnographische Stellung derselben, eine der großen Streitfragen der heutigen
Wissenschaft, soll hier keine Erörterung angeregt werden. Jedenfalls faßten die classischen
Schriftsteller die Nationalität jener Völker als eine einheitliche auf. Die enge Verwandt-
schaft sämmtlicher Keltenstämme bis zum äußersten Osten hin wird durch die Ähnlichkeit
ihrer Sprachen bekräftigt, welche die Beobachter immer hervorhoben. Trotz des spärlichen
Materials bestätigen dies auch die neueren Forschungen.
Die Kelten drängten sich zwischen die Jllyrier oder die andern von ihnen vorgefundenen
Bevölkerungen. Sie überlagerten dieselben und verschmolzen theilweise mit ihnen. Der-
artige keltische Mischvölker sind nachweislich die Japyden und wahrscheinlich die Rhätier.
Abweichend von manchen früheren Vorstellungen müssen wir an der Hand der
prähistorischen Funde so wie den Galliern und Römern auch den Norikern, Rhätiern und
Bojern eine bedeutende eigenthümliche Cultur zusprechen, deren vergleichendes Stndinm
gegenwärtig viele Fachmänner des In- und Auslandes beschäftigt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch