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Trotz der höheren Culturstellung, welche offenbar die Kelten gegenüber den
Germanen einnahmen, vollzog sich der bei der Berührung beider Völkerfamilien
eingeleitete Assimilationsproceß verhältnißmäßig rasch zu Gunsten der siegreichen
Germanen sowohl in Süddeutschland, als auch in Böhmen. Doch kennt noch Tacitns zahl-
reiche keltische Volkssplitter mit ihren Namen und noch bis in die Zeit Attilas trifft mau
ihre Spuren in den von ihnen einst beherrschten Gebieten.
Etwas günstiger gestaltete sich die nationale Existenz der dem Römerreiche einver
leibten Kelten. Allerdings scheuten die Römer gegenüber widerspänstigen Völkern nicht
vor gewaltsamen Maßregeln zurück, wie dies die Rhätier, die Salasser, die Pauuonier zur
Genüge erfahren mußten. Auch waren die Einführung der lateinischen Sprache als
Amtssprache, eine ausgiebige Verwendung der einheimischen Bevölkerung zum Kriegsdienste
selbstverständliche Folgen der Einfügung neuer Länder in das römische Reich. Dies
galt auch für die keltischen Gebiete. Allein die alte administrative, sociale und religiöse
Organisation, welche Rom daselbst vorgefunden hatte, blieb unangetastet und saud
staatliche Anerkennung durch die ganze römische Epoche hindurch. War somit auch eine
nationale Weiterentwicklung des Keltenthnms durch die römische Eroberung abgeschnitten,
so blieb dessen ethnologische Besonderheit unter römischem Schutze noch auf lange Zeit
hinaus gewahrt.
In dem römischen Weltreiche, dessen Kräste nach allen Richtungen in Anspruch
genommen wurden, war die assimilirende Einwirkung der römischen Nationalität höchst
ungleich. Wo keine strategischen Linien oder sonst natürliche, eine Ausbeutung lohnende
Vortheile vorhanden waren, scheint die Romanisirnng nur langsam vorgedrungen zu sein.
So unterschied in Jstrien Plinius 200 Jahre nach der römischen Eroberung noch vier
einheimische Völkerschaften. Derselbe Autor kennt daselbst außer Tergeste und Pola nur
fünf von Römern bewohnte Orte. Intensiver scheint die Romanisirung Dalmatiens
gediehen zu sein, wo wir sowohl Mnnicipien, als auch römische Kolonien zwischen der
illyrischen Bevölkerung finden.
Für Noricnm waren die ersten Angriffspunkte des Romanismus von Aqnileja aus
durch die Saveliuie gegeben. Unter Kaiser Claudius wurde die Draulinie und unter
Vespasian die Donaulinie befestigt. An die daselbst angelegten Lager und Castelle schloffen
sich allmälig durch Ausiedluug von Veteranen, Industriellen, Kaufleuten u. s. w. größere
oder kleinere Gemeinwesen mit oder ohne Stadtrechte. In den Umgegenden von Laibach,
Klagenfurt, Cilli, bildeten sich überdies selbständige Bürgergemeinden mit lateinischem
Rechte. Unter Claudius wurden Agnntnm und Tenrnia gegründet; letzterer Stadt
war ein großer Theil von Kärnten attribnirt. Aus diesen Thatsachen, sowie aus der
Bertheilung der Inschriften erhellt deutlich, daß Kärnten, Krain und Südsteiermark die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch