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bald in eines verschmelzen sollte. Statt sein persönliches Interesse zn verfechten und das
Erbe seiner Väter von dem König von Frankreich zurückzufordern, ging dieser Fürst,
damals bereits des Kaisers Schwager, ganz in der Idee des Türkenkrieges auf, gleichsam
als hätte er geahnt, daß er durch diese Siege und Eroberungen an der künftigen Größe
seines eigenen Hauses baue.
Nicht nur das befreite Wien und dessen Umgebung, uicht nur die Erblaude des
Kaisers und das deutsche Reich, nein, das ganze Abendland empfand die Bedentnng dieses
Sieges. Sobald die Knude von der Niederlage der Türken vor den Mauern Wiens, von
den Leiden und Drangsalen der Belagerten und der Tapferkeit des Entsatzheeres durch
Flugblätter und Relationen in weitere Kreise gedrungen war, rief sie die nngetheilteste
Bewunderung hervor. In Liedern und Gesängen, in Bildern und Medaillen wurde die
Hingebung des Vertheidigers der Stadt Ernst Rüdigers von Starhemberg und der
Befreier Wiens, des Königs Sobieski, des Prinzen Karl von Lothringen, der Kurfürsten
von Sachsen und Baiern, der wackereren Truppen nnd der patriotischen Bürger hoch-
gefeiert. Die ganze Christenheit trinmphirte. Nur ein Mann zürnte über diesen Ausgang,
Ludwig XIV. von Frankreich; ihn soll die Nachricht so erbittert haben, daß er durch drei
Tage allem Verkehre sich entzog. Er ahnte wohl, was dieses Ereiguiß für ihn zu bedeute«
habe. „Bis dahin hatte Ludwig XIV. die erste Rolle in Europa gespielt; die größte
Angelegenheit aber, die in seine Zeit traf, der sich in voller Heftigkeit erneuernde Kampf
zwischen Morgenland und Abendland, wurde durch die ihm entgegengesetzten Kräfte und
Allianzen entschieden; diese nahmen sich nun, im Gegensatze mit ihm, mächtig wieder auf,
um ihm dereinst feindlich zu begegnen."
Für Österreich dagegen brach jetzt eine neue, glänzende Zukunft an. „Österreich
über Alles, wann es nur will", der Titel jenes berühmten Buches, das unter dem frischen
Eindrucke der Befreiung Wiens erschien, war zugleich die Devise dieser Zukunft. Die
Schlacht vor Wien war einer der glorreichsten und folgenschwersten Siege, welche die
Geschichte kennt. Sie bildet den Wendepunkt der österreichisch-türkischen Verhältnisse. Die
Macht der Türken eilte, seitdem sich die Wogen derselben zum zweiten Male an den
Mauern Wiens gebrochen hatten, unaufhaltsamem Verfalle zu; der Rückschlag war umso
verderblicher, da die Türken alle ihre Kräfte zu dem mißlungenen Unternehmen in
barbarischem Übermaße aufgewendet hatten. Österreich, seit 150 Jahren in der Defensive,
ging nun gegen die Osmaueu zum Angriffkriege über, den eine Reihe von glänzenden
Siegen, unter großen Feldherren errungen, bezeichnete. Mit dem Siege des Lothringers
bei Pärkäny und der Einnahme von Gran endete der glorreiche Feldzug des Jahres 1683.
Im folgenden Jahre trat auch Venedig der „heiligen Liga" gegen die Osmanen bei. Die
Überlegenheit der christlichen Waffen war damit vollends entschieden, umsomehr, als
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch