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Staatsgrenzen der Monarch in der einen Reichshälfte Erb- und in der anderen Wahlfürst
sein sollte. Auch war jene Klausel in dem Freiheitsbriefe des Königs Andreas II., welche
den Ständen des Reiches bei Verletzungen der bestehenden Gesetze durch deu Köllig das
Recht bewaffneten Widerstandes einräumte, mit den veränderten Verhältnissen und
Anschauungen der Zeit nicht in Einklang zn bringen; ihre Fortdauer hätte jene des
Bürgerkrieges fanctionirt. Anderseits war es als eine Anerkennung der Verdienste seines
Hauses um das Land zu betrachte», daß der Reichstag unter dem Eindrucke des großen
Sieges bei Mohaes auf beide Forderungen des Kaisers einging, indem er ans das
Jnsurreetionsrecht verzichtete und die Erbfolge des Mannesstammes des Hauses Habsburg
— auch in der spanischen Linie — nach dem Rechte der Primogenitur anerkannte.
Unmittelbar darnach wurde die erste Krönung eines ungarischen Erbkönigs an Erzherzog
Josef vollzogen.
Der Türkeukneg dauerte mit gleichem Glück für die kaiserlichen Waffen fort. Ter
Knrfürst Max Emannel von Baiern eroberte Belgrad (1688), und während die Venetianer
den Türken altclassischen Boden entrissen, drang Markgraf Ludwig von Baden tief in
Serbien und Bosnien ein. Durch die christlichen Völker der Balkauhalbinsel ging eine
tiefe Bewegung, als nach dem Siege des Markgrafen bei Niffa der kaiserliche General
Piecolomini als bewaffneter Herold der Freiheit mitten unter den Gebirgsvölkern des
inneren Balkaus erschien. Die Türken baten um Frieden; in Wien erwog man, ob die
Grenze an der Trajans-Psorte oder bei Constantinopel abzustecken sei. Leopold I. schien
berufen zu vollbringen, was sich einst Karl V. als Kaiser zum Ziel gesetzt: die Zurück-
wersuug der Türken über den Hellespont nach Asien. Allein wie Karl V. auf allen seinen
Wegen den König Franz I. von Frankreich als seinen Gegner gefunden, so Leopold auf
den seiuigeu den König Ludwig XIV.
Daß sich bisher die Erfolge des Türkenkrieges für den Kaiser so glänzend entwickelten,
erfüllte LndwigXIV. mit tiefem Unmuth. Es lag iu der Umgestaltung der Machtverhältnisse
ein Moment der Beforgniß für ihn. Wie, wenn der Kaiser mit den Türken Frieden schloß
und dann seine kriegsgeübteu, sieggewohnten Scharen gegen Westen in Bewegung setzte?
Ludwig beschloß, dies nicht abzuwarten, sondern er eröffnete den Krieg, wobei ihm zum
Vorwande die Ansprüche dienten, die er im Namen seiner Schwägerin, der Herzogin von
Orleans, ans die durch das Erlöschen der männlichen Linie des Hauses Simmern erledigte
Pfalz erhob. Mit vollem Rechte hat man dieses Unternehmen als den dritten Raubkrieg
bezeichnet, denn es war ein Raubzug mit allen Greueln der Zerstörung, auf welchem die
Franzose» die Rheiupfalz, diesen Garten Deutschlands, in eine Wüstenei verwandelten.
Freilich hatte Ludwig seine Gegner unterschätzt. Auf die Anregung Wilhelms von Oranien
schloffen der Kaiser, Holland, Brandenburg, mehrere andere Glieder des deutschen Reiches,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch