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nach wie vor reich an edlen Vorsätzen, aber er war in anstrengender Berufsübung nicht
geschult. An zerstreuende Vergnügungen gewöhnt, ermüdete Josef nur zu leicht bei der
Beschäftigung mit den verwickelten und ernsten Staatsgeschäften uud überließ sie gerne
seinem einstigen Erzieher Salm, der begabt, aber auch argwöhnisch, wie er war, trotz
aufbrausender Hast und tastender Launenhaftigkeit wider alle Anläufe feiuer Gegner sich
fast bis an den Tod seines dankbaren Schülers als dessen leitender Minister behauptete.
Doch lag die Schuld, daß ein Theil der Entwürfe Josefs unvollendet blieb, nicht
blos an ihm. Wohl kündete sich in der Ächtung der Kurfürsten von Baiern und Köln ein
energisches Eingreifen in die Verhältnisse des deutschen Reiches an. Es bot sich die Aussicht
auf die Einziehung des herrenlosen baierischen Nachbarlandes dar. Vielleicht war es auch
möglich, Kurbraudenburg uud Kursachsen in eine politische Bahn zu leiten, welche deren
Schwerpunkt in außerdeutsche Gebiete — Preußen uud Polen — verlegte, etwa so wie das
Welfenhans, das bald darnach auf den englischen Thron übersiedelte. Pläne dieser Art
wurden dem Kaiser nahegelegt, aber sie waren doch zu weit aussehender Natnr uud der
Erfolg zu unsicher, um den Wiener Hof ernstlich zu befchüftigeu. Selbst von bescheideneren
Versuchen, die kaiserliche Gewalt wieder zur Geltung zu bringen, mußte aus Rücksicht
auf das verbündete Preußen abgesehen werden. Aber auch von Reformen im Innern
Österreichs konnte in einer Zeit, wo neben dem spanischen Erbfolgekriege der ungarische
Aufstand alle Kräfte des Staates absorbirte, nicht wohl die Rede sein, zumal alle Versuche
einer friedlichen Beilegung der ungarischen Wirren scheiterten und die Kurutzeu deu Bruch
dadurch besiegelten, daß sie auf dem Onoder Tage (1707) das Haus Habsburg der Krone
Ungarns für verlustig erklärten.
Dagegen kam erst unter Josef I. die lebensvollste Energie in den Krieg der Ver-
bündeten gegen Frankreich. Eugeu, jeder mißtrauischen Beschränkung enthoben, eilte nach
Italien, wo seiu würdiger Stellvertreter Graf Guido Starhemberg den Herzog von
Savoyen nicht vor dem fast gänzlichen Verluste seiner Länder zu retten vermocht hatte.
Mitten dnrch feindliche Posten, über Flüsse uud Gebirge kam Eugen zum Entsatz Turins,
welches Starhembergs Nachfolger Daun heldenmüthig vertheidigte. Gleichzeitig erfocht
Marlborongh den glänzenden Sieg bei Ramillies. In dem „wundervollen Jahre" 17l)6
hielten nacheinander die Heerführer der großen Allianz ihren siegreichen Einzug in Turin,
Brüssel und Madrid, und wenn auch letztere Stadt bald wieder geräumt werden mußte, so
gab doch anderseits Ludwig XIV. durch deu Evaeuations-Traetat von Mailand (1707)
Oberitalien anf. Neapel fiel wie eine reife Frucht Karl III. zu, den auch der Papst
Clemens XI. anerkennen mnßte. Sardinien unterwarf sich, Belgien ging in die Verwaltung
der Seemächte für Karl III. über, Aufstände in Baiern wurden niedergeschlagen, das Land
gleich dem eroberte» Herzogthum Mautua unter die Nachbarn ausgetheilt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch