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dienen kann, daß die Länder selbst nichts so sehr wünschten als die Fortdauer ihrer
bisherigen Verbindung unter dem Scepter der angestammten Dynastie.
Kroatien und Slavonien hatten bisher bei jeder Türkengefahr einen kräftigen
Rückhalt an dem benachbarten Jnnerösterreich gefunden, der hinwegzufallen drohte, falls
bei Karls VI. Tode der Verband der beiden Ländergrnppen gelöst oder auch nur
gelockert wurde. Daher wandten sich (1712) die kroatischen Regnicolaren nach Wien mit
dem Anerbieten, ihrerseits die Thronfolge der weiblichen Descendenz, und zwar derjenigen
Prinzessin anerkennen zu wollen, die nicht nur das Erzherzogthum Österreich, sondern
auch Jnnerösterreich besitzen werde. Und als infolge dessen eine Conferenz ungarischer
Notabeln nach Preßburg berufen wurde, konnte der Palatin dem Kaiser berichten, daß die
Anerkennung der weiblichen Thronfolge anch seitens der ungarischen Stände zu gewärtigen
sei, woferne die Herrschaftsansprüche der gesammten weiblichen Descendenz in einer
einzigen Prinzessin derart vereinigt würden, daß dieser weibliche Thronfolger alle Erblande
einschließlich Böhmen, Mähren und Schlesien einheitlich und untheilbar innehaben und
beherrschen würde, und woferne zur Sicherung dieses unlösbaren Zusammenhanges alle
jene Königreiche und Länder, welche nunmehr für immer mit Ungarn verknüpft werden
sollten, unter sich zuvor ein Bündniß schließen nnd vertragsmäßig die Beiträge feststellen
würden, zu denen sie sich für den Unterhalt der ungarischen Militärgarnisonen und für die
Grenzvertheidigung verpflichteten. Wohl fand die Regierung Karls VI. diese Bedingungen
unannehmbar, vermuthlich deßhalb, weil eine Verbrüderung der Königreiche und Länder,
wie sie den ungarischen Vertrauensmännern vorschwebte, eine Steigerung der ständischen
Macht zur Folge haben mußte, die mit den vorwaltenden absolutistischen Tendenzen des
Wiener Hofes nicht in Einklang zu bringe» war. Hierin dürfte auch der Grund zu finden
sein, weßhalb sich der Kaiser entschloß, zunächst ohne Zustimmung der Stände aus eigener
Machtvollkommenheit und mit Zugrundelegung der älteren Hausverträge in einer Ver-
sammlung von geheimen Räthen, Ministern und Hofwürdenträgern am 19. April 1713
eine neue Thronfolgeordnung zu verkünden, die man sammt den später erfolgten
Zustimmungserklärungen der Stände als pragmatische Sanction zu bezeichnen Pflegt. Zum
Theil im Anschlüsse, znm Theil in Abänderung der „wechselseitigen Erbfolge" von 1703
ordnete Karl IV. an. daß die von seinem Vater und seinem Bruder ererbten Königreiche
und Länder — also auch die spanischen Erwerbungen — uugetheilt auf seine Nachkommen
übergehen sollten, und zwar zunächst auf seine männlichen Leibeserben, und im Falle solche
nicht vorhanden seien, auf seine ehelich hinterlassenen Töchter und deren Nachkommen; im
Wegfall derselben auf Josefs I. Töchter und deren Descendenz und endlich, wenn sowohl
die karolinische als die josefinische Linie ganz aussterben würde, auf seine Schwestern und
so fort auf die übrigen Linien des ErzHauses nach der Reihe der Erstgeburt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch