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Wie bei allen anderen Reformen ließ sich Josef auch bei seinen kirchlichen Maßregeln
theils von politischen theils von volkswirthschaftlichen Gesichtspunkten leiten. Die stramme
Übnng des staatlichen Oberaufsichtsrechtes über alle Religionsangelegenheiten ging Hand in
Hand mit Anordnungen znr Beschränkung des geistlichen Grnndbesitzes. In erster Hinsicht
gelangte erst jetzt das k'Iacetum i-e^ium zu voller Wirksamkeit. Hatten bisher die Bischöfe
bei ihrem Amtsantritte ausschließlich dem Papste einen Eid geleistet, so verpflichtete sie
Josef, fortan vor ihrer Consecration dem Monarchen den Eid der Treue und des Gehorsams
gegen die Gesetze des Landes abzulegen. Schuldeten bisher die geistlichen Orden in Österreich
ihren auswärts wohnenden Oberen Gehorsam, so hob Josef den unmittelbaren Verband
derselben mit ihren inRom residirenden Generalen anf und stellte dieKlöster unter bischöfliche
und laudessürstliche Aufsicht. Alle Exemptionen von der bischöflichen Jnrisdietion hörten
auf; die ganze geistliche Autorität wurde in die Hände der Bischöfe gelegt.
Mit den volkswirthschaftlichen Grundsätzen Josefs hing es zusammen, daß den
Bischöfen die Gewalt eingeräumt ward, bei gewissen Verwandtschaftsgraden die Dispens
znr Ehebewilligung zu ertheilen, um so die Summen, die man dafür sonst nach Rom
schicken mußte, im Lande zu erhalten. Volkswirtschaftliche Beweggründe waren es auch,
die Josef veranlaßten, die Zahl der vielen Klöster um ein Drittel zn vermindern, indem er
alle jene aufhob, welche blos ein beschauliches Leben führten, und nur jene fortbestehen ließ,
welche sich durch Unterricht der Jugend, Krankenpflege und dergleichen dem Staate nützlich
machten. Aus dem Erlöse der eingezogenen Klostergüter gründete Josef den Religionsfond,
der znr Errichtung von Schnlen und Armenanstalten, namentlich aber von nenen Pfarreien
verwendet werden sollte. Denn um die Regelung der Seelsorge hat sich Josef unvergängliche
Verdienste erworben. Mit Hilfe des Religionsfondes war es ferner dem Kaiser möglich,
nene Bisthümer zu errichten und entsprechend zu dotiren. Die bereits vorhandenen Bis-
thümer wurden zweckmäßig arrondirt; jene Distriete, die noch unter fremden Bisthümern
standen, wurden von diesen abgetrennt und den anstoßenden österreichischen Diöcesen
zugewiesen. Um endlich die Geistlichen nach seinem Sinne nicht nur zu guten Seelenhirten,
sondern auch zu guten Staatsbürgern zu erziehen, stellte Josef die Heranbildung derselben,
die bisher in den Händen der Bischöfe gelegen hatte, unter die Aufsicht des Staates. Den
Clerikern wurde der Besuch des eolle^ium ^ermanieum in Rom untersagt. Die geistlichen
Privat Erziehungsanstalten an den Bischofssitzen und in den Klöstern wurden für auf-
gehoben erklärt und statt dessen in den einzelnen Landeshauptstädten von staatswegen
geleitete sogenannte Generalseminare errichtet nnd in ihnen der seit 1776 für die theologische
Facultät in Wien geltende Lehrplan Rautenstrauchs, des Abtes von Braunau, mit einigen
Modifikationen eingeführt. Vorzüglich aus volkswirthschaftlichen Gründen nahm, wie
bereits oben erwähnt, Josef auch die Ehegesetzgebung für sich ausschließlich in Anspruch,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch