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und zwar durch jenes Ehepatent, welches die Ehe selbst als einen bürgerlichen Vertrag
erklärte, daher auch die aus diesem Vertrage resultirenden Streitigkeiten vor die weltlichen
Gerichte verwies und zur Erleichterung der Eheschließung die Ehehindernisse im Gegensatze
zu dem kanonischen Rechte auf eine geringere Anzahl von Fällen beschränkte. Für die
Bewältigung der durch die Reformen Josefs sich ins Unendliche mehrenden geistlichen
Agenden des Staates wurden die geistliche Hofcommission und bei jeder Landesregierung
eine besondere geistliche Commission eingesetzt.
Josef hielt an seinen kirchlichen Reformen unerschütterlich fest; selbst durch die Reise,
welche Papst Pins VI. nach Wien unternahm, ließ er sich nicht auf andere Wege leiten.
Dagegen hatte der Gegenbesuch Josefs in Rom allerdings zur Folge, daß der Kaiser von
dem Gedanken eines gewaltsamen Brnches, zu welchem der Streit über die Besetzung der
lombardischen Bisthümer zu führen drohte, zurückkam, und daß von dieser Zeit an die
kirchliche Reform zu einem gewissen Stillstande gelangte, wie sich denn auch Josef gegen
die Bildung einer Nationalkirche, welche die Emser Pnnctationen der deutschen Erzbischöse
ihm. nahe legten, ablehnend verhielt.
So wie Josef das Verhältniß seines Staates zur katholischen Kirche auf eine völlig
neue Grundlage stellte, so nahm er für sich auch das Recht in Anspruch, das Verhältniß
der anderen Confefsionen im Interesse des Staates zu regeln. Herangewachsen in den
Anschanuugcu einer früheren Zeit nnd in hohem Grade kirchlich gesinnt, hatte Maria
Theresia gegen Andersgläubige dieselbe Strenge wie ihre Vorfahren geübt. Wiederholt
wurden protestantische Familien genöthigt, die Heimat zu verlassen und in die Fremde
— »ach Ungarn oder Siebenbürgen — zu ziehen. In den verschiedenen Provinzen wachten
eigene Religionscommissionen über die Reinheit des Glaubens. Anch den Juden war Maria
Theresia iu hohem Grade abgeneigt. Erst seit 1774 wurden unter dem Einflüsse Josefs
die gewaltsamen „Abstiftungen" der Protestanten eingestellt. Aber im Allgemeinen, so lange
die Mutter lebte, vermochte Josef mit seinen ans eine Dnldnng der Akatholiken gerichteten
Ideen nicht durchzudringen. Erst nach ihrem Tode schritt Josef an das längst vorbereitete
Werk. Er hob die Religionscommissionen auf und erließ das Toleranzpatent (1781), das
den Anhängern der Angsbnrger und Helvetischen Eonfefsion und den nichtnnirten Griechen
das „Privatexercitium", das heißt die — jedoch uicht öffentliche — Übung des Gottes-
dienstes, die Erbauung von eigenen Bethäusern — doch ohne Thürme, Glocken und freie«
Eingang vou der Gasse — zugestand und sie in bürgerlicher Hinsicht den Katholiken gleich-
stellte. Im Zusammenhange damit wurde (1784) das Cousistorium Angsbnrgischer
Konfession, welches sich seit dein westfälischen Frieden in Teschen befand, mit erweitertem
Wirkungskreise nach Wien verlegt nnd hier auch ein Eonsistorium der Helvetischen Eon
fession als kirchliche Oberbehörde, doch gleich jener unter staatlicher Aufsicht ins Leben
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch