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zerstörenden Kräfte ersahen. Er sah Throne und Reiche in den Abgrund der Revolution
versinken; er selbst hatte deu Becher ihrer Leiden bis auf die Neige geleert. Hatte die
Erfahrung Mäuuer wie Geich, den späteren vertrauten Gehilfen Metternichs, aus
begeisterte« Bewunderern der französischen Revolution zuletzt zu deu erbittertsten Wider-
sachern ihrer Grundsätze gemacht, so kann man deu Eindruck ermessen, den der Gang der
Ereignisse iu einem Monarchen zurückließ, der infolge eines wenig lebhaften Temperamentes
an sich allen Neuerungen abhold sein gutes wohlerworbenes Recht immer wieder auf die
Spitze des Schwertes gestellt sah. Je bleibender diese Eindrücke waren, desto ängstlicher
suchte er die geistige Strömung der Zeit, die er uur von ihrer verderblichen Kehrseite,
uicht in ihren wohlthätigen Wirkungen kennen gelernt hatte, von den schwarzgelben Grenz-
pfählen ferne zu halten, desto mehr war auch er auf die polizeiliche Bevormundung des
geistigen und politischen Lebens und auf die Erhaltung des Bestehenden bedacht, destomehr
mußte ihm das System Metternichs zusagen, der uach außen jene Grundsätze vertrat, deren
Befestigung nach innen sein kaiserlicher Gebieter als einen Cardinalpunkt, als eine unfehlbar
wirkende Pauacee ansah. Dem in harten Stürmen früh gealterten, zugleich nüchtern-praktisch
angelegten uud vou strengem Bewußtsein absoluter Herrschermacht erfüllten Kaiser mußte
naturgemäß jedes Wort von Freiheitsbedürfniß und Volksrechten entweder als hohles
Pathos schwärmerischer Überspanntheit oder als böswillige Unbotmäßigkeit erscheinen,
die zu bekämpfen und zn bestrafen seine Pflicht sei. Darum bezeichnen die zwanzig Friedens-
jahre des „franeisceischeu" Österreich (1816 bis 1835), welche den zwanzig Kriegsjahren
folgten, eine Periode des Stillstandes, der, an der Fortentwickelung der übrigen Staaten
bemessen, allerdings einem verhängnißvollen Rückschritte gleichkam. Wenn trotzdem und
trotz eines Staatsbankerottes (1811), der freilich unvermeidlich war, aber nun einmal
doch so viele Existenzen für immer vernichtete, das Volk an seinem „guten Kaiser Franz"
mit seltener Liebe hing und ihm in den Tagen schwerster Bedrängniß unerschütterliche
Treue bewahrte, wenn insbesondere Wien den von den Franzosen Vertriebenen bei seiner
Rückkehr immer wieder mit Jubel empfing und seine Wiedergenesung nach schwerer
Krankheit mit überschwenglicher Freude begrüßte, so wurde diese Stimmung nicht blos
dnrch jene tiefe Friedeussehnsncht, die nach so vielen Kriegsjahren auch die Bewohner des
Reiches erfüllte, und durch das Bewußtsein gemeinsam erduldeter Leiden, welches Herrscher
uud Volk mit einander innig verband, sondern anch dnrch die Persönlichkeit des Monarchen
selbst erzeugt, der in seinem musterhaften Familienleben und in der patriarchalischen
Einfachheit seines Gebarens mehr den Hausvater als den Herrscher hervortreten ließ
und gar oft in dem herzgewinnenden Dialecte des Wieners das rechte Wort zur rechten
Zeit zu sprechen verstand. Bei aller Jdeenarmuth mit scharfem Hausverftaude bedacht,
verband er mit der Achtung wohlerworbener Rechte und altehrwürdiger Gewohuheiteu
Übersicktsband. 16
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch