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von Gastein in das Geflecht ererbter Gegensätze und unausgeglichener Ansprüche den
gordischen Kuoteu schlang, den nur noch das Schwert zu durchhauen im Stande war.
Der Krieg des Jahres 1866 sah noch einmal die deutschen Mittelstaaten im Bunde
mit Österreich, während die Verwandtschaft der Interessen Preußen die Buudesgeuosseuschast
des jungen Königreichs Italien eintrug. „Der Krieg von 1866 bildet den Abschluß eines
hundertjährigen Kampfes. Benedek stand in Wahrheit gegen Friedrich den Großen zn
Felde." Der Sieg Preußens bei Königgrätz besiegelte den Untergang des aus den Trümmern
des alten Reiches neugebildeten Bundesstaates. Österreich schied nun auch formell aus
dem Verbände eines Staatswesens aus, aus dem es selbst hervorgegangen war, als dessen
vornehmstes Glied es einst gegolten, mit dessen Hilfe es beharrlich an seiner selbständigen
Größe und Macht gebaut hatte.
Aber auch für die Machtverhältnisse Italiens wurde der Tag von Königgrätz
entscheidend. Wohl hatten bei Custozza der Sohn des Helden von Aspern und dessen
wackere Krieger der Welt den Beweis geliefert, daß in der österreichischen Armee jener
Geist noch nicht erstorben sei, der einst Radetzky und dessen Heer an derselben Stelle
zu gleich glänzendem Siege geleitet hatte, und auch die österreichische Flotte, diese
jugendliche Schöpfung des Erzherzogs Max, hatte sich bei Lissa unsterblichen Ruhm unter
der Führung Tegetthoffs, jenes Seehelden erstritten, der sich gleich seinem beherzten
Geschwader an Faraguts Wahlspruch: „Hölzerne Schiffe, eiserne Herzen" hielt. Aber die
Wendung, welche der Kamps auf dem nördlichen Kriegsschauplätze nahm, hatte die
eigenthümliche Folge, daß, obgleich der italienische Krieg mit einem Siege der Österreicher
begann und mit einem Siege derselben endigte, zuletzt der Preis des Kampfes, Veuetieu,
durch Napoleons III. Vermittlung an das Königreich Italien überging. So hatte ein
Krieg über die Doppelstellung Österreichs in Deutschland uud Italien entschieden; hier
wie dort sah es sich aus jenen Außenwerken verdrängt, die es dereinst zur Sicherung
seiner Macht geschaffen und von denen aus es lange Zeit hindurch einen imponirenden
Einfluß auf die Geschicke Europas geübt. Aus bereits halbverlorenen Stellungen wich es
schweren Herzens zurück; denn das Scheiden aus tausendjähriger Verbindung einerseits,
der Verzicht auf liebgewordene Traditionen anderseits konnten für die davon Betroffenen
nicht schmerzlos sein. Aber was unter den betäubenden Eindrücken des ersten Augenblickes
von Manchen als ein schweres Unglück und als ein kanm zn ersetzender Verlust empfunden
wurde, erscheint den Epigonen in milderem Lichte. Wenn auch zunächst im eigenen Interesse,
hatte bisher Österreich in Deutschland wie in Italien einen Zustand des Gleichgewichtes
geschaffen und denselben vor französischer Überflutung so lange bewahrt, bis für beide
Länder die Stunde nationaler Wiedergeburt schlug und damit zugleich die Kraft der
Selbsterhaltung erstand. Österreich hatte der Erfüllung dieser Aufgabe schwere Opfer
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch