Page - 31 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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ich hatte das leidenschaftliche Bestreben, mich zu einem guten;
wennmöglichhervorragendenFührer auszubilden. Diemathematische
Unfehlbarkeit militärischer Bücherweisheit hielt ich hoch, und erst
viel später haben mich Leben und Praxis gelehrt, daß auch diese
Weisheit anders zu werten sei.
Aus einem begeisterten Anhänger der Franzosen war ich allmählich
ein solcher der Preußen geworden. Ich hatte zwar meine politische
Anschauung nicht gewechselt, doch meinem lebhaft entwickelten
junkerlichen Empfinden hätte es widersprochen, ein wohlorgani-
siertes, von Berufssoldaten geführtes Heer durch Milizen mit improvi-
siertenFührern geschlagen zu sehen. DiesesSchauspiel erlebte damals
dieWelt auch nicht, denn die ehernen ständigen Bataillone warfen die
— wenngleich begeisterten und wohlbewaffneten— doch losen Volks-
massen nieder. Auch in dieser Richtung modifizierten sich meine An-
sichten mit der Zeit, namentlich durch die Ereignisse desWeltkrieges.
Ich gedenke der großen Leichenfeier des Feldmarschalls Heß^).
Zu Ostern 1871 war es, als der alte Marschall und Waffengefährte
Radetzkys zu Grabe getragen wurde. Feldmarschall Erzherzog Al-
brecht kommandierte den Kondukt. Ich sehe noch die weißen Linien
der Infanterie am Paradeplatz, dort wo jetzt Rathaus und Univer-
sität stehen, höre die Ehrensalven erdröhnen!
Genau ein Jahr früher, auch zu Ostern, trug man unter ähnlichem
Gepränge den Sieger von Lissa, Admiral Tegetthoff, zu Grabe. In
beiden Fällen sah ich damals nur ein großartiges militärisches Schau-
spiel. Das Bedauern über den vorzeitigen Heimgang dieser beiden
bedeutenden Männer, zumal Tegetthoffs, ging nur so nebenher. Erst
viel später erfaßte ich das Scheiden dieser zwei Heroen, deren volle
Entfaltung man nicht zugelassen hatte. « Namentlich das Talent
des in relativ jimgen Jahren von dannen gezogenen Admirals ließ
man bewußt brach liegen. Allerdings wurde die Nachwelt gerade
ihm in überraschend kurzer Zeit gerecht.
Da ich von meiner kavalleristischen Schwärmerei nicht lassen
wollte, wandte sich mein Vater kurzerhand an den Kriegsminister,
1) Feldiuarschall Heß, der im hohen Alter starb, war in den Jahren nach
1849 Chef des Generalquartienneisterstabes. Er war vielfachen Hemmnissen
ausgesetzt, die er nicht zu überwinden vermochte. Hierdurch unterbüeb die
vonihm geplanteAusbildxmg derFührer, und der geisttötendeGamaschendienst
herrschte nach wie vor weiter. Selbst im zweiten Teil des Feldzuges 1859, als
Heß Generalstabschef des persönhch befehhgenden Kaisers war, konnte er
seine Tätigkeit nicht frei entfalten, da der allmächtige Generaladjutant Graf
Grünne das erste Wort auch in operativer Hinsicht zu sprechen hatte. Heß
war eine zu weiche Natur,um diese ebenso ungerechte als zweckwidrige Bevor-
mimdimg abzuschütteln. Hierüber sind hochinteressante Einzelheiten in den
Memoiren des FZM. Mollinary enthalten.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918