Page - 64 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Von Uesküb fuhr ich mit einer türkischen Grundenteignungskom-
mission nach Mitrowica, wo ich ein bedeutendes Truppenlager fand.
Die Türken trauten weder uns noch den Serben und hatten auf der
ganzenStreckeTruppen echeloniert, die aber einen echt alttürkischen
Eindruck machten.
Durchs Vardartal gelangte ich nach Saloniki. Fast auf Greifweite
erblickt man den aus dem Ägäischen Meer auf 3000 Meter Höhe
emporragenden schneebedeckten Olympos, darauf allerdings statt der
heiteren griechischen Götterwelt Raubgesindel aller Art hauste, so
daß Ritte in der Umgebung von Saloniki ein Wagnis waren. Der
StadtteÜ am Kai glich einer italienischen Hafenstadt, wie überhaupt
italieniscn-levantinisch das vorherrschende Idiom^ in jenem Teil des
Orients war. Der türkische Charakter ließ sich nur im hochgelegenen
Viertel erkennen. Ansonsten überwog der griechische Charakter. Seit
jenen Tagen trug sich dort unendlich Tragisches zu. Im Weltkriege
kämpfte an jener Stelle die konzentrierte buntscheckige Okkupations-
armee des französischen Generals vSarrail, des wenig glücklichen Füh-
rers. Dennoch erfolgte zwei Jahre später eben daselbst der Vorstoß
des Generals Franchet d'Esperay gegen die bulgarische Front, der
in weiterer Folge das Verteidigungssystem der Mittelmächte zum
Einsturz und unermeßliches Leid über dieselben brachte. Weltge-
schick! Damals dachte aber kein Mensch im entferntesten an solche
Möglichkeiten, und die Konsulatswelt führte ein geselliges vergnügtes
Dasein. Unser Generalkonsul versicherte mir, daß für den Einmarsch
der Österreicher die günstigsten Bedingungen vorhanden wären, ja,
daß man ihn sogar erwarte.
Von Saloniki ging es durchs Agäische Meer und die Dardanellen
nach Konstantinopel. Dort fand ich eine große Stütze an unserem
damaligen Militärattache, Oberstleutnant Manega. Er machte mich
mit den Herren der deutschen MÜitärmission bekannt, die kurz vor-
her mit ihrem Chef, General Goltz-Pascha, ihren Einzug gehalten
hatte.^) Sie gelangte rasch zu dominierendem Einfluß, da sie von
Abdul Hamid mit Gunst und Vertrauensbezeugungen überhäuft
wurde. Vice versa stand der Padischah inhohem Ansehen. Ein rück-
sichtsloser, doch eminent begabter Herrscher.
Von Konstantinopel gelangte ich nach Adrianopel, am Wege da-^
hin eine Nacht im berühmten, wundervollen St. Stefano verweüend.
^) Auch dem berülimten Osman-Pascha, dem Löwen von Plewna, und dem
General zurHelle-Pascha wurde ich vorgestellt. Letztererwar einst österreichi-
scher Ulanenoffizier imd MiHtärattache in Konstantinopel. Er trat zum
Islam über vmd kämpfte 1875 als einfacher Soldat gegen Aufständische. Dann
stieg er rasch an, war'T887 General im türkischen Generalstabe. Ein durch imd
durch orthodoxer Türke, gleichwohl von Mißtrauen mnlauert.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918