Page - 80 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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kainmer geholte Requisiten, blieben die Grundlage für Friedrichs
taktische Entschlüsse und Anordnungen. Über operative Leitung
modemer Heere hatte er gewiß vieles gelesen, \delleicht aber
nicht allzuviel zu seinem geistigen Eigentum gemacht. Ein Tak-
tiker älteren Stiles im Rahmen kleiner Armee-Einheiten. Da lag die
Grenze seines militärischen Könnens, beileibe aber nicht seines mili-
tärischen Ehrgeizes. Ich entsinn^ mich z. B. eines Diners, wo Erz-
herzog Friedrich— entre poire et fromage— mit dem Brustton der
Überzeugung dem allen Mitgliedern der Dynastie eigen gewesenen
Selbstgefühl ihrer providentiellen Bestimmung dahin Ausdruck gab,
daß ,,in schmerigsten Momenten des Staates doch immer nur die
Erzherzöge als Retter aufgetreten seien".
Störend wirkte der Mangel des persönlichen freien Gedankenaus-
druckes. Hierdurch zogen seine Darlegmigen auch dann nicht, wenn*
er eine Idee richtig erfaßt oder— nach vorhergegangener Bespre-
chung — akzeptiert hatte. Seine Kritik überzeugte daher in den
seltensten Fällen und wurde meist auf persönliche Momente zurück-
geführt.
Immerhinmußman dem Erzherzog die Anerkennung eines Spezial-
talentes zollen, das aber weder auf militärischem noch auf Staats-
männischem, sorrdern auf kaufmännischem und wirtschaftlicherfi
Gebiete lag. Durch eine geschickte Administration gestützt, war er
stets bestrebt, in schrankenloser Konkurrenz seinen enormen Reich-
tum an Geld, Land und Industrie zu vermehren. Erzherzog Fried-
richsche Molkereien, auf blendend weißen Schüdern annonciert,
prangten an allen Straßenecken Wiens. Schnapsbrennereien, Kelle-
reien und viele andere Unternehmungen hatten ihn zum obersten
Chef. Es ist wahrhaft bedauerlich, daß der Staat sich in der Wahl
des Talentes vergriff und statt des wirtschaftlichen das militärische
Talent in den Dienst der Öffentlichkeit stellte.
Gelegentlich einer Übimg machte ich mit dem Erzherzog eine
Wagenfahrt. In jener Zeit fand gerade die Vermählung des Thron-
folgers mit der Gräfin Sofie Chotek statt. Erzherzog Friedrich konnte
über die Braut nicht genug Ungünstiges erzählen imd meinte, daß
der Kaiser über diese Wahl außer Rand und Band sei imd schwere
politische Komplikationen besorge. Beim Erzherzog sprachen da
jedenfalls enttäuschte Hoffnimgen mit. Unerfüllte Wünsche, unter
denen seine harte, unnachsichtige Gemahlin noch tiefer litt.
Ich gewann die Gunst der Erzherzogin niemals, vielleicht aus dem
Grunde, daß ich die des Thronfolgers besaß.
Erzherzogin Isabella war ihremGemahl geistig überlegen, gängelte
ihn durch ihre Wülenskraft und beeinflußte sein Urteil— selten in
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918