Page - 87 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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durch das Land. Der erste Eindruck im Volke und in der Intelligenz
war „Elrieg!" Und auch mir sagte das Gefühl, daß jetzt vielleicht
der Moment zu jener auswärtigen Aktion gekommen sei, der man
früher oder später doch nicht würde ausweichen können^ und die
obendreinüber die innerngroßenSchwierigkeitenhinweghelfenkönnte.
Vollkommen unverständlich bleibt es mir daher, daß man diese Ge-
legenheit nicht rasch dazu nützte, um unsere bosnisch-herzegowi-
nische Frage in Ordnung zu bringen. Dadurch hätten die innern
Zwiespältigkeiten eine natürliche Ausgleichung erfahren, zumal sich
diese von selbst ergeben hätte und nicht etwa machiavellistisch kon-
struiert worden wäre. Die ganzeWeltgeschichte hätte möglicherweise
einen anderen Verlauf genommen. Doch man unterließ es, diesen
PartherpfeÜ rechtzeitig aus dem eigenen Fleisch zu ziehen.
Nach einer kurzen Manöverperiode traf der damals so viel be-
sprochene Armeebefehl von Chlopy ein. Er wirkte im ganzen Lande
wie eine Bombe. Der Schlußsatz: ,,Ich ^vill erhalten, was die Jahr-
hunderte zusammengefügt haben", glich einer politischen Kund-
gebung. Die Erregung der Gemüter wuchs. Unwillkürlich schlössen
sich die Offiziere und die Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft von
einander ab, verkehrten nicht mehr mit der früheren Unbefangen-
heit, und es herrschte allüberall eine ernste, gedrückte Stimmung.
Nach Anschauimg der Militärs mußte das einmal gesprochene Wort
in Geltung belassen, im äußersten Falle auch einem Sturme getrotzt
werden. So geschah es aber nicht. Getreu dem alten Prinzip: ,,Stark
gegen den Schwachen, schwach gegen den Starken", gelang es dem
Regierungschef sehr bald, eine Kundgebimg der Krone zu erhalten,
in der dem Lande beruhigende Worte gesagt wurden, die eigentlich
entschuldigende Worte waren. Der Befehl wurde nicht zurückge-
zogen, doch durch jene Kundgebung so verbrämt, daß seine Bedeu-
tung nahezu zerfloß. Wir alle empfanden dies deutlich und mußten
die boshaften Anspielungen und Witze über uns ergehen lassen, an
denen es besonders in den satyrischen Blättern nicht mangelte.
Es ist wohl natürlich, daß durch diese Vorgänge sowie durch die
Agitationen, namentlich aber durch die Rekrutenverweigerungen, die
Situation sich höchst unangenehm gestaltet hatte. Die Kriegsver-
waltung mußte doch bestrebt sein, das Gefüge der Armee, speziell
die ohnedies schon minimalen Friedensstände, wo und wie immer
nur möglich, zu erhalten. Es gelang ihr dies auch durch eine Reihe
völlig ingeniös erdachter Mittel. Aber freilich, auf den Geist wirkten
diese Mittel imd Mittelchen nicht günstig ein, und für die Truppen
imd die ihnen vorgesetzten Kommanden glich dies einer schweren
Belastungsprobe, zumal die Agitation auch von außen eindrang.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918