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Zur Ehre der Armee sei's gesagt, daß dieseBelastungsprobe, sowie
all die anderen, die ihr noch folgten, sehr gut bestanden wurden.
Wohl kam es in einigen Stationen des Erzherzoglichen Korps, in
Komorn, ödenburg, ja am Sitze des Korps, in Preßburg selbst, zu
kleineren Tumulten, woran sich auch Soldaten beteiligten. Doch be-
deutete dies wenig in Anbetracht der schweren Prüfung und der
großen Anzahl von Stationen mit ungarischen Truppenkörpern. In
Györ ereignete sich nicht der geringste Zwischenfall.
Begreiflicherweise wurde unter den Mitteln, die zur Erhaltung der
Stände führen sollten, auch der freiwillige Eintritt in das Heer ge-
wählt. Aber ebenso begreiflich — vom national-chauvinistischen
Standpunkte aus—war es, daß die ungarischen Behörden, nochmehr
aber die ungarische Gesellschaft, dem nichtnurkeinenVorschubleiste-
ten, sondern es in jeglicher Weise behinderten. Da kam der Antago-
nismus, der zwischen den Magj^aren und den sogenannten Natio-
nalitäten Ungarns bestand, zu deutlichem, für die Heeresleitung just
nicht imgünstigem Ausdruck. Die Regimenter rumänischer Natio-
nalität brachten den Rekrutenstand durch freiwillige Meldung bis
auf den letzten Mann auf. Die Regimenter slowakischer Nationalität
konnten sich bis etwas über die Hälfte ergänzen, und ähnlich ver-
hielt es sich auch bei jenen aus Kroatien und Slawonien. Doch waren
es da großenteils nur die Kroaten, die freiwillig zu denFahnen gingen,
während bei den Serben und Magyaren, bezeichnenderweise auch bei
den Schwaben Ungarns, von einem freiwilligen Eintritt in das Heer
kaum gesprochen werden konnte.
Im Oktober 1903 wurde die Stellung des Ministerpräsidenten IChuen
unhaltbar,und dieKrone grifferneutaufTiszazurück, nachdemdessen
Kandidatur imMai dieses Jahres nicht hatte aufrecht erhalten werden
können. Tisza finalisierte zunächst im persönlichen Einvernehmen
mit der Krone das sogenannte Neunerprogrammi). Mit dem Kon-
*) Das Neunerprogramm war ein von neun Mitgliedern der liberalen Partei
verfaßtes Programm, das in nevm Punkten eine Reihe von Konzessionen in
den Armeefragen beinhaltete, die im Laufe der folgenden Jahre alle durch-
geführt wtirden. Einige der wesentUchsten, wie die zweijährige Dienstzeit, Än-
dertmg desMUtärstrafVerfahrens, dieTransferierungtmgarischerOffizierezuden
ungarischen Regimentern, Magyarisierung der in Ungarn befindHchen Militär-
schvüen, magyarische Korrespondenz mit den ungarischen Administrations-
behörden usw. wurdensehrbald eingeführt. Nur dieÄndenmg derWappen- und
Emblemenfrage, der sich derThronfolgermit allerEntschiedenheitwidersetzte,
wurde erst während desWeltkrieges perfektioniert. InSchwebebüebnurmehr
dieRegelungderKommando-undDienstsprache,dochdieFassimgdeshieraufbe-
zugnehmendenProgrammpimkteswarsogehalten ,daßsiegleichwiederaufgerollt
und kurzerhand,,zwischenKönig vmdNation", also ohneEinsprachederArmee
oder Österreichs, gelöstwerdenkonnte.ZweifelsohnewärespätestensnachSchluß
desKrieges dieZweiteilungderArmeevomHerrscher sofortproklamiertworden.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918