Page - 94 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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bei Skoda, sondern die besten aus Frankreich, deim .wir' (die Ungarn
und Serben) werden sie gegen den .gemeinsamen Feind' brauchen!"
Und Kossuth gab ohne viel Ausflüchte zu, daß er stets in eiiger Be-
ziehung zu dem imverläßlichen Bundesgenossen Italien stand. „Man
sucht sich Verbündete, wo man sie findet!" war seine bündige Er-
klärung, bevor er Minister wurde.
Diese offensichtlichen Lostrennungsbestrebungen schadeten nicht
nur dem Ansehen, sondern auch der politischen Wertschätzung der
Monarchie. Ich behaupte sogar, daß darin eine der indirekten Ur-
sachen zu suchen war, die zu den Balkanwirren und in weiterer Folge
zu dem fürchterlichen Weltkriege führten. Genaue Kenner der Mon-
archie hatten wohl die Überzeugung, daß die Vorgänge nicht gar so
todernst zu nehmen seien, ja, daß imMomente einer wirklichen Ge-
fahr alle Völker der Monarchie sich doch wieder zusammenschließen
würden. Doch die allgemeine Meinung, besonders die der Entente
imd der sonst feindlich gesinnten Länder, war"eine durchaus gegen-
teilige. Diese Meinvmg setzte sich aber durch, imd die Annahme,
daß Österreich-Ungarn ein in der Dekomposition^) befindliches Reich
sei, wurde fast zu einem Grundsatz. Daraus erblühten irredentistische
Aspirationen. Raub- und Beutegier wurden geweckt. Somit begingen
jene extremen Politiker, die solche Ideen und Anschauungen wach
riefen, schwerste Fehler, ja, wahre Verbrechen an ihrem eigenen
Lande.
Der Weltkrieg und seine Folgen nihÜisierten längst jene Verhält-
nisse. Nach dem damaligen Stand der Dinge hätte Ungarn aber ,im-
bedingt eine reale Politik treiben müssen, um sein tausendjähriges
Reich zu erhalten, und nicht in eine Satrapie oder in einen winzigen
Duodezstaat zu verfallen. Dies konnte jedoch ausschließlich nur im
engsten Anschluß an Österreich gelingen. Einzeln konnte keiner
dieser beiden, kaum mittelgroßen Staaten existieren, zumal in ihrer
unabänderlichen geographischen Lage. Auch erscheint es mir wie
eine Naturwidrigkeit, im Zeitalter der Großbetriebe auf kleine Wirt-
schaftskörper übergehen zu woUen. Gleichviel, ob es den beiden
Staaten sympathisch war oder nicht, sie hätten zusammen bleiben
müssen, um am Leben zu bleiben. Dazu war es aber unerläßlich,
^) UnterdenDokumenten, die dieDeutschennach derEinnahmevon Brüssel
im dortigen Staatsarchiv fanden, lag folgender Bericht des belgischen Ge-
sandten in Berlin, Baron Greindl, vom 23. 9. 1905: ,, . . . la triple aUiance,
dirige par l'Allemagne, nous a donne trente ans de paix europeenne. Elle est
maintenant affaiblie par l'etat de decomposition, oü se trouve l'Empire austro-
hongroise. La nouvelle triple entente de France, de l'Angleterre et de la Russie
ne la remplacerait pas. Elle serait au contraire une cause d'inqui6tude per-
petuelle."
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918