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Die Spitze dieses Agramer Faubourg-Germaiii war der Banus, dem
dort noch gewissermaßen halbsouveräne Ehren bezeugt wurden. Zu
jener Zeit war es Graf Pejacsevich. Mit Hilfe kleiner Konzessionen
nach rechts und links versuchte er im unionistischen Sinne zu re-
gieren, wohlbedacht, Wien nicht vor den Kopf zu stoßen. EineWeÜe
ging es, dann geriet er in die Enge, da er den radikalen magyarischen
Weisungen des Handelsministers Kossuth nicht genug tat. Pejacse-
vich trat zurück und wirkte später auf dem sinekuralen Posten
eines Ministers für Kroatien.
Im Winter 1905/06 begab sich in Agram ein dort nicht seltenes
Naturereignis: die etwa einen Monat währende Erdbebenperiode.
Nicht so stürmisch wie das Laibacher Erdbeben vom Jahre 1895,
war es immerhin heftig und aufregend. Die Stöße folgten fast aus-
schließlich in den Abend- und Nachtstunden.
Im Mai fand die früher erwähnte Wahlkampagne statt. Der ge-
schickte Vizebanus Chavrak— die eigentliche Säule der bisherigen
Regierimg — mußte gleich einigen Obergespanen zurücktreten.
Dennoch wurde das politische Gleichgewicht nicht wieder hergestellt.
Dazu trat die großserbische Propaganda immer mehr in Erscheinung.
Eine wesentliche Unterstützung fand sie an dem schlauen Landtags-
präsidenten Medakovic, der an die Stelle des unbedingt loyalen Vaso
Gjurgjevid getreten war. Die Fäden, die von Serbien aus über das
ganze Land geworfen und, durch panslawistische Mittel unterstützt,
zu einem festen Gewebe wurden, ließ man nunmehr fast ungehindert
laufen und gedeihen. Inwieweit die ungarische Politik imd Gesell-
schaft hierbei mitwirkte, habe ich bereits geschildert.
Genau genommen entwickelte sich da ein Kampf aller gegen alle.
Die Kroaten bekämpften sich untereinander, gleichzeitig kämpften
sie auch gegen die Serben imd Magyaren, die Serben, gleichfalls in
sich gespalten, gegen die Kroaten und Ungarn, trotzdem einige Flügel
derselben offene und geheime Händedrücke wechselten. Die Ungarn
stützten und bekämpften abwechselnd sämtliche Parteien. Und alle
stimmten in dem einen Ruf überein: ,,Los von Wien!" Trotzdem
wäre eine vonWien kommende kraftvolle, verläßliche Unterstützung
von zahlreichen Elementen des Landes auf das wärmste begrüßt
worden und hätte eine feste Richtung gegeben. Diese Unterstüt-
zung kam aber nicht. Dafür gewann die großserbische Propaganda
von Tag zu Tag an Boden. Sogar Beamtenkreise wurden davon er-
griffen und wirkten agitatorisch mit, z. B. die beiden Brüder Pri-
bidevic, deren dritter Bruder, ein früher in österreich-imgarischen
Diensten gestandener Offizier, eines der tätigsten Mitglieder des ser-
bisch-jugoslawischen Vereines wurde. Dieser Verein, dessen aus-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918