Page - 113 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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sichtlich zumAusdruck, und das Gefühl drängte sich einem auf, man
stehe auf eruptivem Boden. Auch konnten wir mit freiem Auge
sehen, welch großzügige und erfolgreiche Konkurrenz unser italieni-
scher Bundesgenosse uns überall machte. Das wirksamste Gegen-
gewicht bot nur die den Italienern eigentümliche Knauserei, die sie
überall nach kleinlichem Verdienst haschen läßt. Natürlich stiegen
sie hierdurch keineswegs in der Wertschätzung der Eingeborenen,
die an den Italienern gleich wie an uns profitieren und sich von nie-
mandem ausnützen lassen wollten. Dies war die Ansicht unserer
konsularen Vertreter, dieunsauch andere wertvolle Aufschlüsse gaben.
Wir besuchten Durazzo und Valona. Ersteres träumte damals noch
nicht von der Ehre, einst die flüchtige Residenz des ersten und wahr-
scheinlich letzten ,,Mbret" Albaniens zu werden. Man genoß einen
entzückenden Ausblick auf Land und Meer, sah ein ruinenhaftes
Kastell mit einem riesigen DonJon, in den man nur durch Fenster-
luken den Eingang finden konnte, und ein schmutziges Fachwerk,
das fünf Jahre später zur ,,königlichen Residenz" umgestaltet wurde.
Von dort aus ging die türkische Straße ins Innere des Landes, nach
Tirana und Elbassan, dem Stammsitz des berüchtigten Freibeuter-
häuptlings Essad-Pascha aus der Klanfamilie der Topsani. Auf dieser
Straße fuhr damals gerade eine den Landesverhältnissen nach ele-
gante Kutsche, in deren Fond ein typischer Sohn Albions mit zwei
nicht minder typischen Misses saß. Schiffspassagiere, mit denen wir
gefahren waren und die freundlich und entgegenkommend getan
hatten, insoweit dies eben reisenden Engländern eigen ist. Ich wette,
sie fuhren als Amateur-Emissäre ins Land, um an der schon lange
im Gange befindlichen Einkreisung ein wenig mitzutun.
Am imposantesten präsentierte sich Valona. Damals befand sich
dort eine ziemlich starke türkische Garnison. Ein eigenartiges Kul-
turbildchen fiel uns besonders auf. Die Offiziere mit ihrenDamen—
letztere nur leicht verschleiert— hielten imFreien eine Reunion ab.
Das Ganze glich einer westlichen Gardenparty. Vielleicht schon ein
Ansatz zu der drei Monate später einsetzenden, in eine Revolution
ausmündenden Emanzipation.
Ernsten Gedanken nachgehend, sagte ich mir, daß alle Häfen—
von Antivari angefangen— eigentlich keine Häfen, sondern höch-
stens Reeden waren. Von den gänzlich fehlenden Kais und sonstigen
Hafenbauten abgesehen, war die Wassertiefe so gering, daß selbst
unser kleines, höchstens 2000 Registertonnen haltendes Dampfboot
kilometerweit draußen vor Anker gehen mußte. Diese Erkeimtnis
war dann 4^/2 Jahre später mit ein Grund, daß ich als Minister die
Gefahr der möglichen Besitzergreifung eines dieser Häfen durch die
8 AuffcBberg II3
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918