Page - 125 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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reichte ernste Erklärung zu deutlichem Ausdruck gebracht. Ruß-
land fühlte sich „nicht fertig",gab bei, undSerbien mußte alle unsere
Bedingungen annehmen. Darunter stand als erste der Verzicht des
serbischen Kronprinzen Georg auf die Thronfolge, daman ihn als den
eigentlichenKriegshetzerundAgitator ansah. Erwar esauchzweifels-
ohne, doch neben ihm war es das ganze serbische Volk. Darum er-
reichte man mit dem Verjagen dieser einen Persönlichkeit nicht viel,
was sich sehr bald kundtat. Die Nachricht von der diplomatischen
Unterwerfimg Serbiens traf in Lemberg in den ersten Abendstunden
ein und rief große Sensation hervor. Merkwürdigerweise wurde in
dieser vollkommen polonisierten Stadt plötzlich fast überall deutsch
gesprochen.
Bei Beurteilung der politischen Situation machten sich in Wien
und in der ganzen Monarchie zwei verschiedene Standpunkte geltend.
Die einen freuten sich, daß dasdrohendeGewitter dochnochim letzten
Moment vorbeigezogen sei und feierten Aehrenthal in allen Tonarten,
zumal auch die kaiserliche Anerkennung ihn in den Grafenstand er-
hob. Andere waren der Ansicht, daß man, den günstigen Moment
nützend, diese seit Jahren sich fortschleppende bösartige Angelegen-
heit zur endgültigen Entscheidung hätte bringen müssen. Diese An-
schauung teüte fast die ganze Armee, mit dem Chef des General-
stabes an der Spitze, doch nur ein kleiner Teü der maßgebenden
Schichten. In erster I^inie war der präsumtive, eigentlich schon er-
nannte Armeeoberkommandant, Erzherzog Franz Ferdinand— an
und für sich nicht kriegerisch gesinnt und durch seine Gemahlin
darin noch wesentlich bestärkt— , eifrig bemüht, seinen Einfluß in
friedlichem Sinne geltend zu machen.
Friedliche Gedanken und Bestrebungen in allen Ehren, denn der
Krieg ist ein entsetzlicher Jammer, und es wäre nur zu begrüßen,
wenn fürderhin alle Gegensätze versöhnlich geregelt werden könnten.
Doch auch hier gut das Wort Schillers : ,,Es kann der Frömmste nicht
im Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt!" Dies
traf hier vollends zu. Und wennman damals und später imtmd nach
dem Weltkriege der Monarchie den Vorwurf der Kriegsdrohung, re-
spektive Kriegsschuld machen wollte, so könnte es nur im negativen
Sinne gelten. Das heißt, Österreich-Ungarn erweckte durch die offen-
sichtliche Vernachlässigung des Kriegsinstrumentes, der Armee, durch
innerpolitische Fluktuationen und den Mangel an sicherer Führung
der Innern und äußern Angelegenheiten den Eindruck eines Nieder-
ganges. Doch die treibenden, bewußt aggressiven Kräfte kamen von
auswärts, fußten—umnur einige der wichtigstenMotive zunennen—
auf dem französisch-deutschen Gegensatz, auf der eben neu ein-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918