Page - 136 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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gab ich mich für den Ernstfall nicht dem geringsten Optimismus hin^
bekenne aber, daß ich die quantitative und qualitative Schlagkraft
der Serben doch noch unterschätzt habe, die sich schon im Balkan-
krieg 1912 zur allgemeinen Überraschung zeigte.
Bei meinen Inspizierungen besuchte ich auch die industriellen Be-
triebe des Landes: die großen Salinenanlagen bei Tuzla (von Reichs-
deutschen betrieben), die Salzförderungsanlagen und Mineralwasser-
gewinnung— aus der bekannten ,,Guberquelle" — in Srebernica,
die Erz- und Kohlenwerke in Zenica und Vares, die Karbidwerke in
Jajce und vor allem die nicht ganz zum Vorteil des Landes geschaf-
fenen riesigen Säge- und Holzgewinnungswerke südlich Doboj und
in Petrovac (deutsche Firma Steinbeis). Vielversprechende Ansätze
einer Großindustrie, die jedoch fast durchwegs in ausländischen, na-
mentlich reichsdeutschen Händen war.
Kaisers Geburtstag verbrachte ich im Lager von Han Piesak,
inüber 1000mHöhe, in herrlichenWäldern auf derRomanja gelegen,
wo die I, Infanterietruppendivision konzentriert war. Dort erhielt ich
auch die telegraphische Nachricht meiner Ernennung zum Inhaber
des siebenbürgischen Infanterieregiments Nr. 64. Ein ausgezeichnetes,
fast ausschließlich aus Rumänen formiertes Regiment, das sich auch
im Weltkriege hervorragend bewährte. Nach der Kaisermesse ver-
einigte uns auf einer Waldwiese das übliche Festmahl. Im gemüt-
lichen Teil desselben stimmten wir Rundgesänge an und bewirteten
die Bewohner der umliegenden Weiler. Der ausgezeichnete Gendar-
meriekommandant Snjaric hielt eine Ansprache an die serbische
Bevölkerung, der unzählige Zivios folgten. Und schließlich setzten
diese Naturkinder in ihrer Freude ein paar einzelstehende Bäume
als Festfackeln in Brand. Es war die stimmungsvollste Kaiserfeier,
die ich in meinem Leben mitmachte.
Danach begannen die Manöver auf der Romanja, wozu fast das
ganze Korps konzentriert war. Bei diesen Manövern stand auch der
Flügeladjutant und Vorstand der Militärkanzlei des Thronfolgers,
Oberstleutnant Brosch, als Truppenführer in Verwendung. Nach Ab-
schluß der Übungen übergab er mir die reservate Meldung, daß der
Erzherzog mich zum Kriegsminister ausersehen habe. Zu den sach-
lichen Differenzen, die schon lange zwischen Franz Ferdinand und
dem Minister bestanden, waren allmählich auch persönliche hinzu-
getreten, so daß das Zusammenarbeiten sich immer schwieriger ge-
staltete. Daher strebte der Erzherzog in seiner impulsiven Art einen
Personenwechsel an, und die Wahl fiel auf mich, der ich diese Nach-
richt mit sehr geteilten Gefühlen empfing. Das Ziel meiner Wünsche
und meines Ehrgeizes bildete damals der Posten eines Landeschefs
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Title
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Subtitle
- Eine Lebensschilderung
- Author
- Auffenberg von Komarów
- Publisher
- Drei Masken Verlag München
- Location
- München
- Date
- 1921
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.4 x 21.6 cm
- Pages
- 536
- Categories
- Geschichte Nach 1918