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Österreichische Historiker 1900–1945 15
Im dritten Band ist es erfreulicherweise gelungen, wei-
tere „bedeutende“ Historikerinnen und Historiker wissen-
schaftsgeschichtlich zu porträtieren, ich nenne nur Oswald
Redlich, Hermann Wopfner, Adolf Helbok, Lucie Varga
und Otto Brunner. Die heutige „Bedeutung“ der Porträ-
tierten ist bei jeder Person an einem bestimmten Platz
(oder mehreren) zu verorten. Bei der Mehrheit liegt sie
im Bereich der wissenschaftlichen Produktion und ihrer
wissenschaftlichen aber auch außerwissenschaftlichen Re-
zeption. Unmissverständlich gab es auch Historiker, die
geschichtspolitisch wirken wollten und denen dies auch
gelang. Selbstverständlich unterscheidet sich die damalige
„Bedeutung“ von der gegenwärtigen, wobei es auch hier
zu Verschiebungen der Bedeutungsebene kommen kann.
Sehr viele Texte der Porträtierten sind heute wissenschaft-
lich überholt und nur noch wissenschaftsgeschichtlich von Interesse. Es gibt aber auch
Arbeiten, insbesondere Editionen, die wegen ihrer „positivistischen“ Materialfülle in der
Forschung immer noch unverzichtbar sind. Schließlich sind noch Werke zu nennen, die
wegen ihrer methodischen und konzeptionellen Anlage und der erzielten Forschungser-
gebnisse, die wegen ihres intellektuellen Narrativs noch gegenwärtig „anwendbar“ sind
und in der Forschung diskutiert werden, so etwa Otto Brunners erstmals 1939 erschie-
nene Monografie „Land und Herrschaft“. Anzuführen sind aber auch Lebensläufe, die
(auch) wegen außerwissenschaftlicher Aspekte Interesse erwecken. Zu nennen sind etwa
Ludo Moritz Hartmann und dessen Tätigkeit im Bereich der damaligen „Volksbildung“
oder Lucie Varga und deren Schicksal als deutsch-jüdische Historikerin12. Und nicht zu-
letzt gehört hierher Taras Borodajkewycz, der ohne seine „Causa“ der 1960er-Jahre als
Historiker vermutlich weitgehend in Vergessenheit geraten wäre. Öffentliche Ehrungen
für Historiker scheinen selten zu sein, und so soll die 1958 herausgebrachte Briefmarke
„Oswald Redlich“ dem Publikum nicht verschwiegen werden, ebenso wenig wie die Tat-
12 Dass „Interesse“ und „Bedeutung“ subjektivem Empfinden erwachsen, ist bekannt. Als ich etwa in einer Re-
zension kritisierte, Lucie Varga würde nicht im Buch : Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhun-
dert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon, hg. Fritz Fellner, Doris Corradini (Wien 2006) (www.
hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-7673), aufscheinen, schrieb mir der Herausgeber, sie wäre für die
österreichische Geschichtswissenschaft nicht bedeutend genug, um aufgenommen zu werden. In Anbetracht
der ansonsten im Lexikon anzutreffenden Personen eine durchaus seltsame Ansicht. Freilich ist es andererseits
nicht zutreffend, Varga unter die „führenden [!] Vertreter der österreichischen Geschichtswissenschaft“ einzu-
reihen (so Stefan Jordan, siehe oben). Abb. 1 Briefmarke der
Republik Österreich von 1958
mit Porträt Oswald Redlichs
(Privatsammlung)
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625