Page - 39 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
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Oswald Redlich (1858–1944) 39
mächtigen Böhmenkönig an. Dieses Argument trug ihm wohl den Beifall der großdeut-
schen Gesinnungsgemeinschaft ein34. Den Feldzug von 1276 beschrieb er im Kern
plau sibel als eine Improvisation Rudolfs aufgrund der sich für den König unerwartet
positiv gestaltenden Entwicklung in Kärnten und in der Steiermark35. Dagegen ist seine
Schilderung des Wiederaufflammens des allgemeinen Krieges wohl kaum überzeugend :
Ottokar war, in der entscheidenden Frage der Behandlung seiner rebellischen Unter tanen,
wohl eher bereit auf Rudolf zuzugehen als dieser auf ihn. Diesem Argument wich Redlich
aus, indem er einerseits auf wilde Rachegelüste hinwies, die Ottokars Gattin Kuni gunde
dem Böhmenkönig eingeflößt habe36, andererseits nun die formalrechtlichen Fragen der
Stellung Böhmens zum Reich beschwor, eine Frage, die, wie Redlich selbst zugab, je nach
den aktuellen Bedürfnissen der Machtpolitik flexibel behandelt wurde37. Die Beschrei-
bung der Kriegs- und Schlachtvorgänge von 1278 erscheint nach wie vor als ein Glanz-
stück von Redlichs Buch. Gewiss konnte und wollte der Historiker die Absicht Rudolfs,
die ehemaligen Babenbergerländer seinem Haus zukommen zu lassen, nicht leugnen.
Hierbei allerdings sind moderne Historiker der Ansicht, er hätte diese durchaus auch als
Reichsgut behalten und nicht wieder vergeben müssen, da die Existenz des sogenannten
Leihezwanges seit der Studie Werner Goez’ bestritten wird38. Gewiss auch hob Redlich,
ebenso wie großösterreichische Historiker, hervor, Rudolf habe nach der Machtüber-
nahme in den ehemaligen Babenbergerländern den Konsens mit den österreichischen
und steirischen Ministerialen gesucht39. Dies habe er aber nicht aus der Perspektive des
Landesherrn, sondern aus der des deutschen Königs in der Tradition Kaiser Friedrichs II.
getan40. Eine Absicht Rudolfs, vor allem Böhmen und Mähren dauerhaft an seine Familie
zu bringen, sieht Redlich im Gegensatz zur großösterreichischen sowie auch zur moder-
nen tschechischen Forschung nicht41.
34 Redlich, Rudolf (wie Anm. 22) 259f.
35 Ebd. 271.
36 Ebd. 295. siehe auch Andreas Kusternig, Probleme um die Kämpfe zwischen Rudolf und Ottokar und die
Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278, in : Ottokar-Forschungen, hg. v. Max Weltin
(JbLKNÖ 44/45, Wien 1979) 226–312, hier 244f.
37 Redlich, Rudolf (wie Anm. 22) 299. Siehe hierzu Friedrich BattenBerg, Herrschaft und Verfahren. Politi-
sche Prozesse im mittelalterlichen Römisch-Deutschen Reich (Darmstadt 1995) 40.
38 Werner Goez, Der Leihezwang. Eine Untersuchung zur Geschichte des deutschen Lehnsrechtes (Tübingen
1962).
39 Redlich, Rudolf (wie Anm. 22) 339.
40 Ebd.
41 Vgl. hierzu etwa Marie Bláhová, Böhmen in der Politik Rudolfs von Habsburg, in : Rudolf von Habsburg
1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. v. Egon Boshof, Franz-Reiner Er-
kens (Passauer Historische Forschungen 7, Köln 1993) 59–79, hier 61f.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625