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48 Johannes Holeschofsky
und drohende Sprache“ vernommen84. Noch immer also
akzeptierte Redlich nicht die „Ausrede“ der im engeren
Sinn dynastisch eingestellten Historiker, die Habsburger
seien durch die föderalistische Reichsverfassung der Mög-
lichkeit und sogleich auch der Pflicht enthoben worden,
das Reich im zentralistischen Sinn „im Zaume zu halten“.
Wie im Fall seiner Rudolf-Biografie hielt Redlich den von
ihm so oft kritisierten, realen römisch-deutschen Kaisern
und Königen der Dynastie eine deutschnationale, macht-
volle Idealfigur entgegen.
5.4 Redlichs antipreußische Gesinnung
Der große Herrscher, der Deutschland einigen sollte, kam aber für Redlich immer aus
dem Hause Habsburg. Srbik kritisierte diese Auffassung und nahm auch Bernhard Erd-
mannsdörffers Darstellung der Epoche gegen seinen Doktorvater in Schutz, indem er des-
sen Schilderung der Konflikte zwischen dem großen Kurfürsten und Kaiser Leopold als
„einseitig antipreußisch“ bezeichnete85. Srbik wollte ja nach 1920 in Verfechtung seiner
tagespolitisch motivierten gesamtdeutschen Position einerseits die Leistungen der Habs-
burgermonarchie im „Altreich“, andererseits die Leistungen Preußens und der Hohen-
zollern in Österreich verteidigen, um somit den politischen „Zusammenschluss“ Öster-
reichs und Deutschlands vorzubereiten86. Redlich dagegen beschwor bei aller Kritik an
der angeblichen „partikularistischen“, konfessionell-dynastischen Interessen zugewandten
österreichischen Herrscherdynastie noch immer einen Habsburger auf dem Kaiserthron
„Großdeutschlands“. Ein deutschnationaler Österreicher zu Redlichs Zeiten hatte es aber
nicht mehr mit dem schwankenden, formbaren Deutschland des Jahres 1848 zu tun. Zu
einer konkreten Umsetzung des Anschlussgedankens bedurfte es nicht zuletzt auch des
Arrangements mit der historischen Tatsache der real existierenden Dominanz Preußens
im wilhelminischen Deutschland und in der Weimarer Republik. Eine handfeste politi-
sche Gebrauchsanweisung konnte Redlich aus seinem schwärmerisch-rückwärtsgewand-
ten großdeutschen Geschichtsbild nicht gewinnen.
84 Ebd. 39f.
85 SrBik, Rezension (wie Anm. 58) 118f.
86 Siehe Martina Pesdischek, Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951). „Meine Liebe gehört bis zu meinem
Tod meiner Familie, dem deutschen Volk, meiner österreichischen Heimat und meinen Schülern“, in : Öster-
reichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren 1900–1945 2, hg. v. Karel Hruza (Wien 2012) 263–329,
hier 284f. Abb. 3 Oswald Redlich
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625