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82 Celine Wawruschka
nen über soziologische Fragen und damit in Zusammenhang stehende Themen“, durch
Kontaktaufnahme mit anderen soziologischen Vereinen, durch die „Unterstützung der
Bestrebungen zur Errichtung von Lehrstühlen für Soziologie an den Hochschulen, durch
die Bildung von Sektionen für das Spezialstudium einzelner soziologischer Richtungen
oder Probleme“, durch Publikationen und durch die Anlage einer Fachbibliothek erreicht
werden84. Hartmann befand sich im Vorstand der „Wiener Soziologischen Gesellschaft“85.
Er leitete im Jahr 1908 einen Diskussionsabend der Gesellschaft zum Thema „Das Mittel-
schulproblem in seiner soziologischen Bedeutung“. In seinem Vortrag befasste er sich mit
der heute noch durchaus aktuellen Debatte um die Problematik der Einheitsmittelschule
und dem Zustrom „sozial niedriger“ Volksschichten zur Mittelschule. Gleichzeitig mit
Hartmanns Vortrag fand auf höherer Ebene eine politische Enquête über die Mittelschule
statt86. 1912 sprach Hartmann über „Die Nation als politischer Faktor“ und 1922 „Zur
Soziologie der Revolution“, ein Referat, für das er große Beachtung und das Lob des
anwesenden Max Weber fand87. In seinem detaillierten Resümee über Hartmanns soziolo-
gische Arbeiten erkennt Christian Fleck Hartmanns Bemühungen an, in den Geschichts-
wissenschaften ein sozialwissenschaftliches Verständnis einzuführen und den Historismus
zu überwinden, ganz im Rahmen seines aufklärerischen Verständnisses wissenschaftlicher
Erkenntnis, kritisiert jedoch zurecht Hartmanns evolutionistische Anwandlungen und
seinen Hang zum Naturalismus und zur Hypostasierung sozialer Gesetzmäßigkeiten88.
Eine Schnittstelle des politischen und volksbildnerischen Engagements Hartmanns
und seiner Rolle als Historiker stellt der „Verein für wissenschaftliche Ferialkurse“ dar,
der 1901 an der Universität Wien gegründet wurde89 und als dessen Hauptorganisator
hinter den Kulissen Hartmann gilt. Ziel des Vereins war die Veranstaltung der Salzbur-
ger Hochschulkurse als zeitlich begrenzte Veranstaltungen unter Mitwirkung hervorra-
gender Wissenschaftler, um die Intentionen des Salzburger „Vereins zur Gründung und
Erhaltung einer freien katholischen Universität zu Salzburg, „einer pfäffischen Universi-
tät, einer Trutzburg gegen die freie Wissenschaft ohne staatliche Kontrolle“ zu unterlau-
84 Exner, Soziologische Gesellschaft (wie Anm. 83) 11.
85 Ebd. 13.
86 Ebd. 242f.
87 Fleck, Historiker als ‚Auch-Soziologe‘ (wie Anm. 83) 45.
88 Ebd. 37–50.
89 Bei Walter Höflechner, Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschul-
wesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938 (Graz 1990) 64, sind als Grün-
dungsdatum fälschlicherweise das Studienjahr 1902/03 unter dem Rektor Wilhelm Meyer-Lübke angege-
ben. Meyer-Lübke war allerdings erst im Studienjahr 1906/07 Rektor der Universität Wien, im Studienjahr
1900/01 war Emil Schrutka von Rechtenstamm Rektor‚ vgl. Rektorentafel der Universität Wien, online ver-
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625