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86 Celine Wawruschka
Die 1899 gegründete Vereinigung österreichischer Hochschuldozenten zeigte im April
des Jahres 1900 den „Verein für Abhaltung von wissenschaftlichen Lehrkursen für Frauen
und Mädchen“ bei der niederösterreichischen Statthalterei an und hielt bereits am 21. Mai
im Großen Hörsaal des Anatomischen Instituts der Universität Wien ihre konstituierende
Generalversammlung ab. Der ab diesem Zeitpunkt gültige Name lautete „Verein für Ab-
haltung von wissenschaftlichen Lehrkursen für Frauen und Mädchen“ mit dem Kurztitel
„Athenäum“. Hartmann, der durchgehend die Funktion als einer der beiden Obmann-
stellvertreter bekleidete, deklarierte als Ziel des Vereins, „Bildung zu verbreiten und die
Frauen aus ihrer geistigen Enge herauszuführen“. Das Athenäum richtete sich darüber
hinaus gegen das traditionelle Weltbild vermeintlich weiblicher Interessen und für Frauen
besonders geeigneter Themen. Frauen sollten im Athenäum Zugang zu allen Wissensge-
bieten erhalten und an das ihnen noch wenig bekannte Gebiet der Naturwissenschaften
herangeführt werden. Vor dem Ersten Weltkrieg hatten Frauen nur wenig Gelegenheit,
naturwissenschaftliches Interesse durchzusetzen, da sie mit Ausnahme der Medizin weder
an der Technischen Hochschule noch an der Universität für Bodenkultur ein ordentli-
ches Studium absolvieren konnten. Vom Jahr 1901 an erhielt der Verein aufgrund der
Unterstützung des Unterrichtsministeriums eine jährliche Subvention von 1000 Gulden.
Mit dem Wintersemester 1900/01 begann das Athenäum mit seinen Kursen, von denen
ein Großteil im Hörsaal des Anatomischen Instituts in der Währinger Straße stattfand.
Der Erfolg der Kurse war groß, erst der Ausbruch des Ersten Weltkrieges schränkte die
Möglichkeiten der Wiener Frauenhochschule empfindlich ein. Nach einem Tiefpunkt in
den Jahren 1914 und 1915 stieg die Zahl der Hörerinnen 1916 und 1917 wieder an101.
Zwischen 1900 und 1918 wurden mindesten 530 Kurse abgehalten, für die insgesamt
15.833 Frauen inskribiert waren. Der Lehrplan des Athenäums baute im Wesentlichen
auf dem der Bürgerschule, der Lehrerbildungsanstalt und des Lyzeums auf und sollte vor
allem jene Mädchen ansprechen, die nicht im Besitz eines Maturazeugnisses waren. Das
Athenäum reagierte in dieser Hinsicht auf eine gravierende Lücke im damaligen Mädchen-
schulwesen : Denn Absolventinnen einer dieser Einrichtungen mussten sich auf privatem
Weg das Wissen aneignen, mit dem sie es wagen konnten, an einem dazu berechtigten
Knabengymnasium die Reifeprüfung abzulegen. Grundsätzlich waren die Kurse in Form
R. Popper, der 1908 in der Volksschule des Vereins eingeschult wurde, vgl. Karl R. Popper, Einige Bemer-
kungen über die Wiener Schulreform und ihr Einfluss auf mich, in : Ders., Frühe Schriften (Tübingen
2006) 497.
101 Ludo Moritz Hartmann, Vereinsauflösung, in : Wiener Zeitung, 19.06.1921 8, online verfügbar unter :
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=19210609&seite=8&zoom=33&query=%22athe
n%C3%A4um%22%2B%22verein%22%2B%22aufl%C3%B6sung%22&provider=P01&ref=anno-search
(letzter Zugriff am 22.02.2016). Günther Fellner, Athenäum. Die Geschichte einer Frauenhochschule in
Wien, in : Zeitgeschichte 14/3 (1986) 111, gibt irrtümlich den 19. April 1921 an.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625