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Hermann Wopfner (1876–1963) 105
Wopfner dokumentierte seine Wanderungen und Forschungen auch fotografisch. Dabei ging
er nicht unsystematisch vor, sondern arbeitete sich an einem selbst erstellen Fragebogen ab36.
Bei diesen Feldforschungen entwickelte Wopfner seinen methodisch-theoretischen Zugang.
Ziel war ihm die „Erkenntnis der geistigen Eigenart des bäuerlichen Volkes“37.
Ab 1921 gab Wopfner „zur Förderung der Forschung auf dem Gebiet tirolischer Ge-
schichte, Volks- und Heimatkunde“ die zunächst vom Tyrolia-Verlag, später vom Uni-
versitätsverlag Wagner aufgelegte Zeitschrift „Tiroler Heimat. Beiträge zu ihrer Kenntnis
und Wertung“ als Jahrbuch heraus38. Er publizierte darin seine Anleitungen und Ergeb-
nisse seiner Forschungen für „Freunde heimatkundlicher Forschung“, insbesondere Ar-
beiten zur Siedlungs- und Hauskunde. Wopfner gelang 1923 die Institutionalisierung der
Heimat-, Volks- und Landeskunde in Gestalt des im November 1923 vom Ministerium
genehmigten Instituts für geschichtliche Siedlungs- und Heimatkunde der Alpenländer
als Annex zu seiner Lehrkanzel. Begründet wurde die Errichtung mit einer stärkeren Ver-
knüpfung des Schulunterrichts an die Heimat und der damit verbundenen notwendigen
Ausbildungsmöglichkeit für künftige Lehrkräfte39. Wopfner wurde zum Vorstand und
Adolf Helbok als wissenschaftliche Hilfskraft bestellt40.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Wopfner begonnen, seine Lehrtätigkeit auf Jung-
bauern und (Religions-)Lehrer auszudehnen. Dabei ging es ihm um die Vermittlung der
„Darstellung der alten bäuerlichen Freiheit Tirols“ und dessen „Bedeutung für die Art des
Tiroler Bauernvolkes“. Als einen Grund für die „Unabhängigkeit“ des Tiroler Bauern in
früheren Zeiten sah Wopfner dessen wirtschaftliche Selbstversorgung an. Diese Selbst-
versorgung wollte er nicht nur materiell, sondern auch geistig bzw. kulturell verstanden
wissen. Deshalb ging er in seinen Vorträgen auch auf Bräuche und Lebensweise des „Bau-
ernstandes“ ein. Insgesamt war es Wopfner an der Pflege der Heimat- und Volkskunde
gelegen. Auf diesem Gebiet war ihm der Grazer Volkskundler Viktor (von) Geramb Vor-
bild41.
36 Vgl. Ders., Merkblatt zu heimatkundlichen Beobachtungen, in : Tiroler Heimat 3/4 (1923) 84–94 sowie
Ders., Anleitung zu volkskundlichen Beobachtungen auf Bergfahrten (Innsbruck 1927).
37 Ders., Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 183.
38 Nummer 1 (1921) bis 9 (1927), dann als N[eue] F[olge] 1 (1928) bis 9/10 (1936/37) ; ab Nummer 11 (1947)
laufend bis heute mit wechselnden Herausgebern und Untertitel ; derzeit „Jahrbuch für Geschichte und Volks-
kunde“.
39 OBerkofler, Fächer (wie Anm. 20) 149–150, sowie Reinhard Johler, Geschichte und Landeskunde : Inns-
bruck, in : Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der Volkskunde in Deutschland und Österreich
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hg. v. Wolfgang JacoBeit, Hannjost Lixfeld, Olaf Bockhorn
(Wien/Köln/Weimar 1994) 449–462.
40 Vgl. OBerkofler, Fächer (wie Anm. 20) 149–150. Zu Helbok siehe den Beitrag von Martina Pesditschek in
diesem Band.
41 Zu Geramb vgl. Michael J. Greger, Johann Verhovsek, Viktor Geramb 1884–1958. Leben und Werk
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625