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Hermann Wopfner (1876–1963) 109
Haltung der NSDAP sowie Hitlers „Verrat an Südtirol“55 entschieden ab. Mit seinen
volksgeschichtlichen Ansätzen war Wopfner für den aufkommenden Nationalsozialismus
dennoch kompatibel. Seit den 1920er Jahren stand er als Wissenschafter in ständigem
Kontakt mit Volkstumsforschern in Deutschland und einschlägigen Einrichtungen wie
etwa der in Leipzig nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gegründeten „Stiftung für
deutsche Volks- und Kulturbodenforschung“56. Zwar wurde seine öffentliche Vortrags-
tätigkeit durch die Partei eingeschränkt, er verblieb aber auch nach dem „Anschluss“ am
Lehrstuhl und konnte weiter lehren und forschen. In seiner Autobiographie resümiert er
über diese Zeit, dass die „Partei […] trotz [s]einer Ablehnung des Nationalsozialismus
nichts gegen [ihn] unternommen“ hätte57. Im Jahr 1941 reichte Wopfner beim Reichs-
ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Bitte um Entpflichtung
von der Lehrtätigkeit ein. Als Gründe für diese Resignation fünf Jahre vor der Ruhe-
standsversetzung führte er seine angeschlagene Gesundheit an sowie den Wunsch, seine
Arbeitskraft künftig ausschließlich der Forschung, konkret dem Abschluss seines „Berg-
bauernbuches“, widmen zu wollen58.
Nach der Entpflichtung wurde seine Lehrkanzel geteilt. Auf den neu geschaffenen
Lehrstuhl für Volkskunde wurde mit 1. Oktober 1941 sein ehemaliger Schüler Helbok be-
stellt, der seit 1935 in Leipzig auf dem ehemaligen Lehrstuhl Lamprechts gewirkt hatte59.
Dafür wurde 1942 ein eigenes „Institut für Volkskunde“ eingerichtet60. Die bisherige
Lehrkanzel für Österreichische Geschichte und Allgemeine Wirtschaftsgeschichte wurde
auf Wunsch des Rektors Harold Steinacker in „Geschichte und Wirtschaft des Alpenrau-
mes“ umbenannt und im Februar 1942 mit Wirkung vom 1. Dezember 1941 mit Huter
55 Sehr prononciert dazu Rolf Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert. Vom Leben und Überleben einer Min-
derheit (Innsbruck 1997) 139.
56 Willi OBerkrome, Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen
Geschichtswissenschaft 1918–1945 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 101, Göttingen 1993) 29–
30 und 37–38.
57 Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 198.
58 Ebd. 199.
59 Helbok war Erstgereihter eines Dreiervorschlages. Auf den Plätzen zwei und drei waren Viktor (von) Geramb
sowie Richard Wolfram gereiht. Vgl. UAI, PA Adolf Helbok. Besetzung der neu zu errichtenden Lehrkanzel
für deutsche Volkskunde, gezeichnet vom Rektor der Universität Innsbruck Harold Steinacker.
60 Vgl. Reinhard Johler, Volksgeschichte : Adolf Helboks Rückkehr nach Innsbruck, in : Völkische Wissenschaft
(wie Anm. 39) 541–547. Zu Helbok vgl. neben Martina Pesditschek in diesem Band Klaus Fehn, Volksge-
schichte im Dritten Reich als fächerübergreifende Wissenschaftskonzeption am Beispiel von Adolf Helbok.
Ein Beitrag zur interdisziplinären Wissenschaftsgeschichte vor allem der Fächer Volkskunde, Landesgeschichte
und Historische Geographie, in : Kulturen – Sprachen – Übergänge. FS für H. L. Cox zum 65. Geburtstag, hg.
v. Gunther Hirschfelder, Dorothea Schell, Adelheid Schrutka-Rechtenstamm (Köln/Weimar/Wien
2000) 567–580.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625