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114 Wolfgang Meixner und Gerhard Siegl
bei sich zuhause im Arbeitszimmer und im Keller gelagert und schilderte Grass im Detail
die Lagerorte. Als er im April 1945 Grass erneut im Falle seines Ablebens um Herausgabe
des Bergbauernbuches ersuchte, hatte Wopfner die Unterlagen auf abenteuerliche Weise
vor den Kriegswirren in Sicherheit gebracht : Je ein Manuskript befindet sich bei Pfarrer Jos.
Bader in Serfaus (vollständig, mit Nachträgen), bei Schulleiter Peer in Kreith (bei Mutters),
bei Zingerle (Sieberstr. 4 [in Innsbruck, Anm.]) und bei mir in Wohnung und Keller (im alten
Eiskasten). Außerdem ist ein Teil eines Manuskriptes […] in einem Handkofferl, das bei Alarm
regelmäßig von meiner Wirtschafterin in den Bunker gebracht wird. Dieser Teil des Ms.s ist
nicht kopiert, nur ein Durchschlag davon befindet sich in Serfaus. Von Hauptstück VI […] ist
derzeit ein Teil bei meinem Vetter Kathrein in Hall, wo es in etwa einem Monat kopiert sein
wird. Ein Durchschlag dieses Abschnittes liegt ebenfalls beim Pfarrer in Serfaus. Der Abschnitt
6 des VI. Hauptstückes (von der Almwirtsch.) ist noch nicht ganz vollendet, wäre aber schon
annähernd publizierbar. Nur im Konzept ist Hauptstück VII (Bauer und Wald) vorhanden ;
ich arbeite diesen Teil derzeit um und fertige mit der Reinschrift dann drei Durchschläge selbst
an, falls ich dazu komme74. Wopfners Plan, das Bergbauernbuch noch während des Krieges
herauszubringen, scheiterte trotz Vorliegen eines Vertrags mit dem Verlag F. Bruckmann in
München an der Kriegslage. Nach Kriegsende hatte Wopfner dann keine Eile mehr : Ent-
gegen seiner Ahnung, dass er die vollständige Publikation seines Werks nicht mehr erleben
könnte, lehnte er 1948 zwei Angebote zur Veröffentlichung ab75. Der wieder eingekehrte
Frieden und seine robuste Gesundheit versetzten ihn offenbar in den Glauben, er könnte
das gesamte Werk überarbeiten und aktualisieren, was ihm aber nicht mehr gelang.
In seinem Beitrag über die Entstehungsgeschichte des Bergbauernbuches verschwieg
Grass, dass es sein Rat war, der Wopfner dazu bewog, das Bergbauernbuch in Lieferungen
herauszubringen76. Ursprünglich war bei Bruckmann von einem zweibändigen Werk aus-
gegangen worden. Beim langsamen Tempo der schrittweisen Überarbeitung hätte Wopf-
ner wohl keine einzige Seite mehr in Druck geben können, wäre er später nicht auf die Va-
riante der Lieferungen umgeschwenkt. Dadurch war es möglich geworden, die einzelnen
Hauptstücke nach und nach herauszubringen, ohne gleich das gesamte Werk in toto dem
Verleger vorlegen zu müssen. Nach Erscheinen der ersten Lieferung im Tyrolia-Verlag
war Wopfner glücklich über positive Reaktionen, denn […] wenn man so lange an einem
Werk herumgebastelt hat, wie ich an diesem Bergbauernbuch, wird man etwas kritisch und
ist dann froh, wenn ein Kenner die Sache gut findet77. Den Preis für diesen ersten Band des
74 TLMF, NL NG, Korrespondenz mit Wopfner, Wopfner an Grass vom 26.04.1945.
75 Grass, Hermann Wopfner und das „Bergbauernbuch“ (wie Anm. 3).
76 TLMF, NL NG, Korrespondenz mit Wopfner, Wopfner an Grass vom 25.12.1948.
77 Ebd. Wopfner an Grass vom 16.09.1951.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625