Page - 139 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Image of the Page - 139 -
Text of the Page - 139 -
Hugo Hassinger (1877–1952) 139
sche und kulturelle Beziehung Wiens zum südöstlichen Europa aufzeigen. Seine Schil-
derungen begann er im 19. Jahrhundert, als Wien eine Vormachtstellung im Südosten
besaß. Das Ende der Habsburgermonarchie betrachtete er als „tiefstes Elend“69, da ab
diesen Zeitpunkt die Verbreitung der deutschen Kultur im Südosten verhindert wurde.
Aus seinen Worten ist herauszulesen, dass Hassinger den „Anschluss“ Österreichs an das
Deutsche Reich für die Beziehungen mit dem südöstlichen Europa als Segen empfand.
Denn das „Dritte Reich hat wie im Westen, so im Osten und Südosten die Fesseln der
Weltkriegsverträge gesprengt, und der Weg ist frei, die neue Ordnung im Südosten zu
schaffen, wie einst nach der Zertrümmerung der Osmanenmacht“70. Diese Neuordnung
sollte von Wien aus geschehen, indem „alle verfügbaren Kräfte, die noch in Städten des
Hinterlandes mit reichen Mitteln arbeiten und in Wien, der Stadt an der Südostfront
fehlen, hierher gezogen und für eine vereinheitlichte Südostforschung und Südostplanung
eingesetzt werden“71. Hassinger plädierte für die Herausbildung eines über die Instituts-,
Hochschul- und Staatsgrenzen hinweg reichenden Forschernetzwerkes zur Raumpolitik,
da eine genaue Erforschung Südosteuropas lediglich mittels interdisziplinärer Ausrich-
tung geschehen könne72. Eine besondere Bedeutung sprach er der Universität Wien zu :
„Die durch die Lage, die kulturelle und politische Vergangenheit Wiens vorgezeichnete
Aufgabe, eine geistige Leuchte für den europäischen Südosten zu sein, verpflichtet die
Wiener Universität in ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit diesem Teil Europas ihre be-
sondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und in der deutschen Wissenschaft sich führend
bei der Pflege der Beziehungen zu dem Südosten zu betätigen. Damit wird wieder eine
alte Tradition aufgenommen, die in der Nachkriegszeit fast völlig abzureißen drohte“73.
Über Südosteuropa selbst führte Hassinger vor allem volkskundliche, aber auch wirt-
schaftliche Studien durch. Er sah diesen Teil Europas wie viele andere Wissenschaftler
und Politiker als wertvolles „Ergänzungsgebiet“ für die Wirtschaft des Deutschen Reiches
an. Hassinger untersuchte im Projekt „Bestandsaufnahme der deutschen Volksgruppen
im mittleren Donauraum“ gemeinsam mit Mitarbeitern des Geographischen Institutes
und einigen wissenschaftlichen Sachbearbeitern der deutschen Volksgruppen die agrar-
wissenschaftliche Leistungsfähigkeit, um wichtige Erkenntnisse über die Möglichkeit der
dung im Donauraum (1942), in : Wiener Zs. zur Geschichte der Neuzeit 9/2 (2009) 163–170 ; Dies., Has-
singer (wie Anm. 66) 300–302.
69 Hugo Hassinger, Wiens deutsche Sendung im Donauraum, in : DALV 5 (1941) 338–357, und in : Mittei-
lungen der Geographischen Gesellschaft in Wien 85 (1942) 3–31, hier 5.
70 Ebd. 6.
71 Ebd. 12.
72 Ebd. 28.
73 UAW, NL Hassinger, Kt. 25, Hassinger Hugo, Die Universität Wien und der europäische Südosten,
06.05.1939.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625