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Hugo Hassinger (1877–1952) 153
5. zur verBindung von wissenschaft und politik am Beispiel
hugo hassinger – ein aBschliessendes resümee
Hugo Hassinger deckte im Laufe seines wissenschaftlichen Wirkens ein umfangreiches
Forschungsfeld ab, das vor allem durch seinen interdisziplinären Ansatz gekennzeichnet
war. Aufgrund seines geistes- und naturwissenschaftlichen Studiums beherrschte er so-
wohl die Methodik eines Physiogeographen und Geologen als auch eines Historikers,
Raumplaners, Kartographen und Volkstumsforschers. Aus diesem Grund entstanden viele
Werke, die sowohl einem natur- als auch einem kulturwissenschaftlichen Ansatz folg-
ten. Die österreichische Geographin Elisabeth Lichtenberger bezeichnete Hassinger daher
als den „letzten bedeutenden Fachvertreter mit einem enzyklopädischen Wissen über die
Geographie des Menschen auf der Erde“140. Die Geschichtswissenschaft spielte bei Has-
singer eine bedeutende Rolle, denn „die Raumgebundenheit der historischen Vorgänge,
die Zeitgebundenheit der Kulturlandschaftsformen, das sind die Geographie und Ge-
schichte unlösbar aneinander fesselnde Bände“141. Er wandte sich der historischen Geo-
graphie und der Geschichte des Faches Geographie zu. Zudem verwendete er historische
Forschungen, damit zeitgenössische Situationen besser verstanden und Ereignisse aus der
Geschichte als Rechtfertigungsgrund für diverse Vorhaben herangezogen werden konn-
ten. Als ein Beispiel unter vielen sollen hier nochmals seine Bestrebungen zum Ausbau
Wiens als Standort der Südostforschung genannt werden, die er vor allem mit der Funk-
tion der Stadt während der Habsburgermonarchie legitimierte.
Trotz seiner vielen historischen und physiogeographischen Studien war Hassinger
allerdings primär Kulturgeograph, der vor allem während des Nationalsozialismus For-
schungsergebnisse im Kontext der nationalsozialistischen „Lebensraumpolitik“ produziert
hatte. Hassinger war unter anderem Mitglied der Vaterländischen Front, des NS-Beam-
tenbundes und der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, jedoch nicht der NSDAP142.
Der Beweggrund, warum Hassinger nicht um eine Mitgliedschaft angesucht hatte, konnte
bis heute nicht geklärt werden. Einerseits hat er sie für seine Forschungen und die Reali-
sierung seiner persönlichen Ziele nicht gebraucht, andererseits konnte er aufgrund seiner
Nichtmitgliedschaft aber auch einige Chancen nicht wahrnehmen. So wurde er weder
nach dem Tod von Hirsch Leiter der SODFG, noch nach dem Ausscheiden Brunners
140 Elisabeth LichtenBerger, Geographie, in : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften 2, Le-
bensraum und Organismus des Menschen, hg. v. Karl Acham (Wien 2001) 75–148, hier 111.
141 Hassinger, Geographie (wie Anm. 34) 11.
142 FahlBusch, Wissenschaft (wie Anm. 6) 253f.; ÖStA, AdR ZNsZ GA Gauakte Hugo Hassinger, politische
Beurteilung vom 24.08.1948.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625